Immer mehr Schüler, immer früherer Unterricht - Fremdsprachen sind in!

Von Sigrun Stock Veröffentlicht:

Fußball war nichts für Julius: "Das hat er schnell wieder aufgeben", sagt seine Mutter Stephanie Holl. Stattdessen schickt die Ärztin aus Bissendorf (Region Hannover) ihren Fünfjährigen nun einmal pro Woche zum Englischunterricht. Julius macht’s Spaß. "Die Zeit vergeht immer ganz schnell", berichtet er.

Der Kleine liegt mit seinem Hobby im Trend: Nach dem Pisa-Schock boomt der frühe Fremdsprachenunterricht, vor allem für Kindergartenkinder. Und die Eltern lassen es sich einiges kosten, ihrem Nachwuchs den Start in der Schule zu erleichtern. Julius‘ Familie zahlt beispielsweise 39 Euro pro Monat für den Unterricht, das Lernmaterial mit Büchern und CDs hat weitere 80 Euro gekostet.

"Nachfrage bei den Eltern wächst rasant"

Marktführer bei Englisch-Kursen für Kleinkinder ist das Franchise-Unternehmen Helen Doron - auch Julius wird dort spielerisch an die Sprache heran geführt. Das Unternehmen agiert weltweit und hat nach Angaben von Heidi Thielke Powell in Deutschland schon mehr als 23 000 Schüler. "Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Lehrern. Die Nachfrage bei den Eltern wächst rasant", sagt Thielke Powell, die das Unternehmen in Deutschland zusammen mit ihrem Mann von Hamburg aus weiter ausbaut. "Die Pisa-Studien haben uns einen Riesen-Schub gebracht", berichtet sie. Gab es vor viereinhalb Jahren zwölf Helen-Doron-Schüler in Hamburg, so sind es inzwischen gut 3000.

Und das Alter, in dem die Eltern ihre Kinder mit Englisch starten lassen, sinkt immer weiter: Seit neuem werden auch Kurse für Säuglinge angeboten. "Die Kleinsten sind drei Monate", sagt Heidi Thielke Powell. In den Baby-Kursen sollen sich die Kinder von Anfang an daran gewöhnen, dass es nicht nur die Muttersprache gibt.

Zwar sind sich nahezu alle Sprachforscher einig, dass das frühe Lernen von Fremdsprachen sinnvoll ist und gerade die Zeit vor der Grundschule besser ausgenutzt werden könnte. Doch es gibt auch kritische Stimmen, die darauf hinweisen, dass das Gelernte schnell wieder vergessen wird, wenn der Unterricht nicht kontinuierlich fortgesetzt wird.

Entwicklungspsychologen und Politiker wie Niedersachsens Kultusminister Bernd Busemann (CDU) warnen Eltern vor einem Förderwahn: "Es ist sinnvoller, zunächst alle Energien auf die Beherrschung der eigenen Sprache zu bündeln. Eltern sollten ihre Kinder nicht mit übertriebenen Erwartungen überziehen", so Busemann. "Es muss sich niemand Sorgen machen, dass die Kinder ohne Extra-Kurse nicht fit für die Wissensgesellschaft sind."

Heidi Thielke Powell legt Wert darauf, dass ihr Englisch-Unterricht für die Kleinsten mit sturem Pauken und dem klassischen Auswendig-Lernen von Vokabel nichts zu tun hat. Auch Julius aus Bissendorf lernt spielerisch: Gemeinsam mit fünf anderen Kindern tanzt er in der heimischen Wohnung der Lehrerin zu englischen Liedern vor dem Kamin oder lernt die Vokabeln für Farben beim Ausmalen von Bildern. Und für daheim gibt es CDs, auf denen er die aktuellen Lernabschnitte zwei Mal täglich als Hintergrundprogramm beim Malen oder Lego-Spielen hören soll.

Die wichtigste Regel für die Eltern: "Prüfen Sie ihr Kind nicht - und versprechen Sie auch keine Belohnung für Englisch-Sprechen!" (dpa)

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