Niedersachsen

Kritik am Aus für anonymen Krankenschein

Niedersachsen hat das Projekt „anonymer Krankenschein“auslaufen lassen. Hilfsorganisationen sind verärgert.

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HANNOVER. Das ehrenamtlich tätige Netzwerk Medinetz in Hannover kritisiert die Entscheidung der rot-schwarzen Landesregierung in Niedersachsen, den anonymen Krankenschein abzuschaffen.

Niedersachsen hatte als erstes Bundesland auf Pilotbasis für drei Jahre den anonymen Krankenschein eingeführt, der es Menschen ohne Aufenthaltsrecht ermöglichte, an der Gesundheitsversorgung teilnehmen zu können, ohne ihre Identität preisgeben zu müssen. Dafür bot Medinetz Hannover eine Plattform zur Vernetzung von Patienten und Ärzten.

Mit dem Ablauf der Testphase entschied sich das Sozialministerium gegen eine Verlängerung des anonymen Krankenscheins. Medinetz hält das für eine politische Entscheidung: „Es ist schon sehr peinlich für Niedersachsen.

Andere Bundesländer sind dem niedersächsischen Modell gefolgt, während die SPD vor der CDU kuscht und den anonymen Krankenschein storniert“, kommentiert Leonard Niestadtkötter, ehrenamtlicher Mitarbeiter des Netzwerks, die Entscheidung der Landesregierung.

Damit verbunden erhöht sich die Last der Ehrenamtlichen: finanzielle Mittel zu beschaffen, ehrenamtlich tätige Ärzte ausfindig zu machen und die hilfesuchenden Menschen zu vermitteln werde nun schwieriger, heißt es.

"Krankenhausaufenthalte nicht mehr erstattungsfähig"

Die Folgen der Entscheidung der Regierung beschreibt Niestadtkötter wie folgt: „Bislang konnten die behandelnden Ärzte ihre Kosten abrechnen, nun sind wir aufgefordert, Spendengelder einzusammeln und nur die nötigsten Behandlungen zu vermitteln. Und das wiederum an Ärzte, die ihre Arbeit ehrenamtlich anbieten. Krankenhausaufenthalte sind nun nicht mehr erstattungsfähig, unser Budget reicht nur noch für circa zwei Geburten aus. Zudem haben wir nun die Situation, dass nicht alle Fachgebiete bedient werden, unsere Kontaktärzte müssen nahezu alles abdecken.“

Und obwohl Medinetz nach Abschaffung des anonymen Krankenscheines sich nicht in der Position sieht, die vorherige Arbeit durch Spendengelder und ehrenamtlich tätige Ärzte zu koordinieren, bleibt ihnen wohl vorerst nichts anderes übrig.

„Die Menschen bekommen erst nach und nach mit, dass es keinen anonymen Krankenschein mehr gibt. Einige machen sich dann auf den Weg in andere Bundesländer, die den anonymen Krankenschein noch ausstellen. Was sich jedoch aufgrund der hohen Kosten eines Umzuges und der Gefahr den Behörden aufzufallen, in Grenzen halten dürfte“, so Niestadtkötter.

Nach anderen Lösungen umschauen

Nach der Entscheidung Niedersachsens müssen sich die Menschen nach anderen Lösungen umschauen: eine Anlaufstelle ist der Malteser Migrantendienst.

„Das Projekt wurde aufgrund eines Beschlusses des Landtages gestartet, um Erfahrungen über die tatsächlichen Verhältnisse in diesem Bereich zu gewinnen“, erläuterte das Sozialministerium nach der Entscheidung Ende vergangenen Jahres auf Anfrage der „Ärzte Zeitung“.

„Nach dem Auslaufen des Projektes werden die gewonnenen Erkenntnisse evaluiert und dem Ministerium übermittelt.“ Mit den Ergebnissen rechne man im ersten Halbjahr 2019, hieß es. (hco/eb)

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