Landarztpraxis im Pfadfinderlager

4000 Pfadfinder in einem großen Sommerlager - da kann viel passieren. Dr. Thomas Sitte, im Hauptberuf Palliativmediziner, koordiniert die medizinische Versorgung. Er ist früher selbst Pfadfinder gewesen.

Von Sabine Schiner Veröffentlicht:
Pfadfinder beim Zeltaufbau: im rheinland-pfälzischen Birkenfeld findet das Bundestreffen 2009 statt.

Pfadfinder beim Zeltaufbau: im rheinland-pfälzischen Birkenfeld findet das Bundestreffen 2009 statt.

© Fotos: Schiner

BIRKENFELD. Mehr als 4000 Pfadfinder haben für zehn Tage ihre 150 Jurten und 800 Schlafzelte auf einem Platz, so groß wie 24 Fußballfelder, in Rheinland-Pfalz aufgebaut. Auf dem Zeltlager des Bundes der Pfadfinder gibt es keinen Strom und keine Duschen - dafür aber einen höchst leistungsfähigen Sanitätsdienst.

Im Lager herrscht reges Treiben. Einige Pfadfinder bauen Kulissen für das Abendprogramm, andere üben sich an der Gitarre, schreiben Texte für die eigene Zeitung oder nehmen Hörspiele auf. "Mir ist total schlecht", sagt ein Mädchen und hält sich den Bauch. Eine Ärztin kümmert sich um sie im Sanitätszelt. Ein paar Meter weiter steht ein knallroter Doppeldeckerbus. "Das ist unsere Anmeldung", sagt Dr. Thomas Sitte (51). Der Palliativmediziner aus Fulda hat mit seinem Kollegen Kay Michael Brumm (50) vom Bundeswehrkrankenhaus in Berlin die medizinische Versorgung organisiert: "Wir haben hier eine komplette Landarztpraxis."

Jeden Tag kommen 50 Patienten in die Ambulanz

Sitte ist zum zweiten Mal dabei. Beim letzten Bundeslager - es findet alle vier Jahre statt - musste er sich während der zehn Tage mit seinen Kollegen um mehr als 900 Patienten kümmern. "Es gab die üblichen Schnittwunden, Anaphylaxie, Zeckenbisse, Polytrauma, Herzinfarktverdacht, alles dabei", erzählt er im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". In diesem Jahr geht es ruhiger zu. Etwa 50 Patienten kommen täglich in die Ambulanz. Zum Team - alle arbeiten ehrenamtlich - gehören acht Ärzte, zwei Sprechstundenhilfen, acht Pfleger und Rettungsassistenten. Die Helfer arbeiten in Schichten rund um die Uhr. Per Handy und Funk sind die Ärzte erreichbar. "Bislang hatten wir ein paar Schnittwunden, Krampfanfälle, eine Schulterluxation und leichte Infekte", erzählt Brumm.

Nächstes Krankenhaus ist drei Kilometer entfernt

Pfadfinder mit Schweinegrippe hatten die beiden Ärzte bislang noch nicht. Die H1N1-Viren beschäftigten die Ärzte vor allem im Vorfeld. Zusammen mit Experten vom RKI in Berlin wurden alle Bedenken aus seuchenhygienischer Sicht abgewogen und es gab grünes Licht. Dank guter Kontakte zum Hersteller 3M gibt es große Vorräte an Mundschutz im Lager, sollten Verdachtsfälle von Schweinegrippe auftreten, werden die Kranken in einem separaten Zelt untergebracht. Das nächste Krankenhaus ist drei Kilometer entfernt.

Um unter möglichst perfekten Bedingungen arbeiten zu können, hat Sitte auch vieles selbst gekauft oder mitgebracht, etwa die Notfallausstattung und den Notarztkoffer. Der rote Bus auf dem Lagerplatz gehört der Stefan Morsch-Stiftung. Im Zelt nebenan können sich bei der Stiftung Pfadfinder als potenzielle Spender für Knochenmark- und Stammzellen typisieren und registrieren lassen. Im Bus selbst ist die komplette EDV-Anlage für die Praxis untergebracht. Sie wurde vom Software-Hersteller TurboMed geliefert.

Sitte und seine Kollegen übernachten - wie die anderen Pfadfinder auch - in schwarzen 5-Mann-Zelten, genannt Kothen. "Wir nehmen am ganz normalen Lagerleben teil", sagt Sitte. Mit dabei sind auch 250 Gäste aus Ländern wie China, Ghana, Kasachstan und den USA. An seinem Outfit ist unschwer zu erkennen, dass er selbst mal aktiver Pfadfinder war. Er trägt ein blaues Hemd, ein blau-gelbes Halstuch, Lederhose und schwere Stiefel. Sitte und seine Kollegen genießen allerdings auch Vorteile: Sie haben Strom und Zugang zum Internet, müssen ihr Essen nicht selbst kochen, haben eigene Toiletten - und fließendes Wasser.

Weitere Infos im Internet unter www.seitenweit.pfadfinden.de und www.pfadfinden.de

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