Verein "Integreater"

Mehr Bildungschancen für Migranten

Studieren mit Migrationshintergrund ist oft nicht einfach. Ümmühan Ciftci hat deshalb den Verein "Integreater" gegründet.

Von Sabine Schiner Veröffentlicht:
Ümmühan Ciftci ist für ihr Engagement etwa mit dem Preis "Die Goldene Bild der Frau" ausgezeichnet worden.

Ümmühan Ciftci ist für ihr Engagement etwa mit dem Preis "Die Goldene Bild der Frau" ausgezeichnet worden.

© Integreater

MARBURG. Ümmühan Ciftci ist 23 Jahre alt und studiert im achten Semester in Marburg Medizin. Leicht hatte sie es als Migrantenkind nicht. In ihrem Verein "Integreater" engagiert sie sich für bessere Bildungschancen.

"Es war nicht einfach", sagt Ümmühan Ciftci. Ihr Vater war in den siebziger Jahren aus der Türkei nach Kassel gekommen.

Er wollte eigentlich studieren, musste aber arbeiten, um die Familie durchzubringen. Ihre Mutter hatte sich Lesen und Schreiben selbst beigebracht.

Beide haben ihre Tochter unterstützt, die sich bereits als Kind für Medizin interessierte.

"Mit dem Schulsystem kannten sich meine Eltern nicht aus", erzählt sie. "Ich habe irgendwann aufgeschnappt, dass man dazu aufs Gymnasium muss - und war verzweifelt, als ich keine Empfehlung bekam."

Nachhilfe für Migrantenkinder

Sie kämpfte, schaffte es trotzdem, machte ihr Abi mit 1,4 und bekam sogleich einen Studienplatz. Ihre Kindheit prägte sie. "Ich habe gelernt, auch nach rechts und links zu schauen."

Bereits während ihrer Schulzeit gab sie Migrantenkindern Nachhilfe, ohne Geld dafür zu nehmen. "Da wusste ich noch gar nicht, dass man das als soziales Engagement bezeichnet."

Auf dem Gymnasium war sie Ansprechpartnerin für Eltern und Schüler, sie organisierte Moscheebesuche, gab Tipps, versuchte zu helfen. Integration, so ihre Erfahrung, kann ohne Bildung nicht klappen.

2010 gründete sie den Verein "Integreater" und suchte nach jungen Menschen, die es wie sie geschafft und sich durchgesetzt haben und die ihre Erfahrung an andere weitergeben.

Mehr als 150 Ehrenamtliche arbeiten derzeit mit. Ümmühan Ciftci nennt sie "Leuchttürme", weil sie anderen helfen, einen Weg durch den Bildungsdschungel zu finden.

Derzeit versucht der Verein, sich bundesweit aufzustellen. Gruppen in Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Baden-Württemberg sind im Aufbau. Weitere Helfer, die Energie mitbringen und Migranten Mut machen, sind willkommen.

Mehrfach ausgezeichnet

Ümmühan Ciftci ist für ihr ehrenamtliches Engagement mehrfach ausgezeichnet worden. Im März ging ein Preis einer Frauenzeitschrift - "Die Goldene Bild der Frau" - an sie.

Das Medizinstudium und ihr "Integreater"-Engagement unter einen Hut zu bringen, fällt ihr bei allen Erfolgen nicht immer leicht.

Ihr Physikum hat sie etwa erst ein Jahr später als vorgesehen gemacht. "Ich bin auch einmal durchgerasselt", gesteht sie. Ein Stipendium ging ihr auch durch die Lappen, seitdem muss sie sich ihr Studium selbst finanzieren.

Die Erfahrungen, so sagt sie, hätten sie letztlich stärker gemacht. Das Engagement im Verein gleiche viele Rückschläge aus: "Das gibt mir enorm Kraft."

Welche Richtung sie als Medizinerin nach Ende des Studiums einschlägt, weiß sie noch nicht: "Die Chirurgie hat mir sehr gut gefallen."

Allerdings wolle sie später auch eine Familie gründen. Sie zweifelt jedoch, ob sich dies miteinander vereinbaren lässt.

Erstmal ist sie gespannt auf die Gynäkologie und Pädiatrie. Diese Fächer stehen in diesem Semester auf ihrem Stundenplan.

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