Ein ganz spezielle Karriere

Messi: Ende einer Generation?

Messi ist gescheitert. Diesmal wohl endgültig. Er schweigt beharrlich zum möglichen Rücktritt. Zurück bleiben Wut, Bitterkeit, Enttäuschung.

Von Jens Marx Veröffentlicht:
Verewigt als Mauerkunstwerk: der portugiesische Fußballstar Cristiano Ronaldo (l.) and Argentiniens Fußballheld Lionel Messi auf den Außenwänden des Ramada Kazan City Centre Hotels.

Verewigt als Mauerkunstwerk: der portugiesische Fußballstar Cristiano Ronaldo (l.) and Argentiniens Fußballheld Lionel Messi auf den Außenwänden des Ramada Kazan City Centre Hotels.

© picture alliance/dpa

Lionel Messi schweigt, der Trainer spielt auf Zeit, die Fans sind enttäuscht und verbittert. Das krachende Scheitern des Teams um den enttäuschenden Superstar Messi hat Argentiniens Fußball in den Abgrund gerissen. "Argentinien war wie eine Mannschaft aus einer anderen Epoche. Langsam, nicht überraschend, vorhersehbar", schrieb die argentinische Zeitung "Clarín". "Ein Vierteljahrhundert der Enttäuschungen", meinte "La Nacion" und schrieb: "Ohne Steuermann, ohne Plan: Die Gründe für die nächste WM-Ohrfeige." Und Diego Maradona bezeichnete den WM-Auftritt Argentiniens in seiner Sendung als "Chronik eines angekündigten Todes".

Erste Rücktritte nach dem Spiel

Wortführer und Ex-Kapitän Javier Mascherano erklärte noch im Stadion von Kasan mit stockender Stimme und den Tränen nahe seinen Rücktritt aus der Albiceleste. "Es ist vorbei", sagte der 34 Jahre alte Mittelfeldspieler: "Jetzt bin ich nur noch ein Fan der Nationalmannschaft. Ich hoffe, dass diese Jungs in Zukunft etwas erreichen können." Mitspieler Lucas Biglia tat es Mascherano gleich. Weitere dürften folgen.

Die größte Frage ist dabei, ob auch Messi einen Schlussstrich nach der größten seiner vier WM-Enttäuschungen zieht. Auch am Tag danach blieb der mittlerweile 31-Jährige eine Antwort vorerst schuldig. Die Mannschaft reiste nicht geschlossen als Team ab, stattdessen verließen die Spieler in Kleingruppen das WM-Quartier in Bronnizy.

Auf den Tag genau zwölf Jahre nach Messis erstem WM-Aus, bei dem er im Viertelfinale gegen Deutschland mit gerade mal 18 Jahren hilf- und tatenlos das Ende im Elfmeterschießen gegen den Gastgeber ertragen musste, war er am Samstagabend im Pulk seiner Mitspieler im Bus verschwunden. Kein Wort nach dem 3:4 im Achtelfinale gegen den starken Vizeeuropameister Frankreich.

Vor zwei Jahren hatte Messi nach dem verlorenen Finale der Copa América noch im Stadion seinen Rücktritt erklärt, wenige Wochen später machte er die emotionale Entscheidung wieder rückgängig.

Entzaubert von Mbappé

Gegen Frankreich wurde der Magier am Ball dann von dem erst 19-jährigen Teenager Kylian Mbappé entzaubert, die nächste Superstar-Generation drängt. Der Franzose habe einen Akt poetischer Gerechtigkeit vollstreckt, urteilte "La Nacion".

Acht Trainer verschliss die Generation Messi, Jorge Sampaoli übernahm den Posten erst vor einem Jahr. Über einen Rücktritt wollte der 58-Jährige, dessen Vertrag bis zur WM 2022 gültig ist, direkt nach dem Spiel nicht entscheiden. Die WM-Quali für Russland schaffte Argentinien nur mit größter Mühe und einem Messi-Dreierpack gegen Ecuador.

Angekommen im WM-Land, ging die Unruhe richtig los: Angebliche Sampaoli-Entmachtung, Lügen-Vorwürfe von Verbandsboss Claudio Tapia an die Medien – dazu einmal mehr skurrile und besorgniserregende Auftritte von Edelfan Diego Maradona.

Messis Leiden war offensichtlich

Und immer irgendwie mittendrin war Messi, dessen größte Sehnsucht es war, seinem Land den dritten Titel zu schenken nach 1978 und 1986. Aber: Der verschossenen Elfmeter beim 1:1 gegen Island, seine unwürdige Leistung gegen Kroatien – es begann verheerend.

Messi litt in Russland, und das war spürbar. Nur selten sah man ihn lachen. "Ein Trainer, der "Leo" trainiert, weiß, dass alle um ihn herum ihm ein gutes Gefühl geben müssen", sagte Sampaoli während der WM einmal. Messi schien nur selten ein gutes Gefühl zu haben.

Ob er selbst die Mannschaft diktierte oder nicht, es war, als wüsste er von Beginn an, dass es eh nicht reichen würde. Und als hätte er damit die Tragweite seines persönlichen Scheiterns vorhergesehen. "Das ist Messis Argentinien, nicht meins", hatte Sampaoli vor der WM gesagt. Bald könnte es ein Argentinien ohne Messi sein. (dpa)

Lionel Messi in Zahlen

- Zweimal WM-Viertelfinale (2006 und 2010)

- Einmal Finale (2014)

- Einmal Achtelfinale (2018)

- Sechs WM-Tore in 19 Einsätzen

- Kein Treffer in einer K.o.-Phase

Lesen Sie dazu auch: Aus gegen Uruguay: Kein WM-Titel - Ronaldo, der Unerfüllte?

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