Psychotisch, medikamentenabhängig und am Ende völlig verwahrlost

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Von Ronald D. Gerste

Nierenversagen gaben die Ärzte nach der Obduktion als Todesursache des Patienten an. "Verwahrlosung" wäre genauso zutreffend gewesen. Der Tote wog nur noch 93 Pfund und sah aus wie ein verelendeter Nichtseßhafter. Doch vor den Pathologen lag an diesem Aprilmorgen des Jahres 1976 einer der reichsten - und geheimnisvollsten - Männer der Welt: Howard Hughes.

Wie bizarr das Ende eines Menschen gewesen sein muß, der fast ein halbes Jahrhundert lang für Schlagzeilen gut war, belegten zwei weitere Befunde: Der Codein-Spiegel im Serum der Gestorbenen war weit über das Tolerable erhöht. Und die Röntgenaufnahme seiner Arme zeigte mehr als ein halbes Dutzend intra- oder paravenös liegende, abgebrochene Kanülenspitzen. Beides waren Dokumente einer langjährigen Medikamentenabhängigkeit und einer weit fortgeschrittenen Psychose.

Heute kommt "Aviator", Martin Scorseses monumentale Filmbiographie des Flugpioniers und Konstrukteurs, des Filmproduzenten und Exzentrikers Howard Hughes in die deutschen Kinos. Die enge Symbiose von Glamour und Geisteskrankheit, von Abenteurertum und Wahnvorstellungen verkörpert Leonardo di Caprio meisterhaft. Er läßt einen Mann lebendig werden, der zum Himmelsstürmer in des Wortes wahrster Bedeutung wurde.

Als Produzent des 1930 uraufgeführten Kriegsepos "Hell’s Angels" wurde Hughes, den ein Millionenerbe früh finanziell unabhängig gemacht hatte, einer der meistbewunderten und mächtigsten Männer in Hollywood. In den nächsten Jahren machte er als Rekordflieger kontinuierlich Schlagzeilen, vor allem durch seinen 1938 erfolgten Flug um die Erde in dreieinhalb Tagen.

Noch viel interessanter für die Öffentlichkeit war indes das Privatleben. Der blendend aussehende Abenteurer zeigte sich mit einigen der schönsten Frauen am Arm und wohnte Berühmtheiten wie Bette Davis, Katherine Hepburn, Lana Turner und vielen anderen bei. Doch nichts im Leben ist ohne Preis: Bei der Obduktion wurde eine tertiäre Syphilis festgestellt.

Während einer Cholera-Epidemie in seiner Kindheit hatte ihm seine Mutter eine panische Furcht vor Mikroben eingeimpft. Seine Phobie vor Krankheiten hatte noch eine weitere Ursache: Mit 13 Jahren war er für mehrere Wochen gelähmt. Der wohlhabende Vater ließ den Polioexperten Dr. Simon Flexner nach Houston kommen, um Howard zu untersuchen. Polio war es nicht, denn die Paralyse ging zurück. Die Furcht vor Viren und Bakterien blieb.

Di Caprio läßt den Zuschauer den Waschzwang, die Furcht, den Knauf der Toilettentür anzufassen, schließlich die Scheu vor anderen Menschen als potentielle Keimträger hautnah erleben. Was der Film nicht erzählt: Seinen wechselnden Freundinnen pflegte Hughes beim kleinsten Schnupfen den Arzt seines Vertrauens ins Haus zu schicken, um die Gelegenheit zu einer ausgiebigen Untersuchung zu nutzen - wie geschildert, ein letztlich erfolgloses Screening.

Wenig bekannt ist ein Erbe des Howard Hughes. Noch zu Lebzeiten hatte er - auch aus steuerlichen Gründen - das Hughes Medical Institute gegründet. Diese Forschungseinrichtung gilt heute - mit einem Kapitalstock von geschätzten zwölf Milliarden Dollar - nach der Bill and Melinda Gates Foundation als zweitgrößte Stiftung weltweit, die biomedizinische Forschung unterstützt. Schwerpunkt der Forschungsförderung des Hughes Medical Institute (im Internet: www.hhmi.org) sind AIDS, Leukämien, zystische Fibrose und Muskeldystrophien.

Eine weniger sinnvolle, aber dennoch beeindruckende Hinterlassenschaft kann man in McMinnville im Bundesstaat Oregon in einem Museum bewundern: das von ihm konstruierte größte Flugzeug der Welt, die Spruce Goose. Nur einmal, anno 1946, erhob sich der Gigant mit Hughes am Steuerknüppel für eine knappe Minute von den Wassern des Pazifik; im Film ein letzter Triumph des Aviators, bevor die Dunkelheit endgültig Besitz von seiner Seele ergriff.

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