Kliniken

Toleranz bei muslimischen Patienten gefragt

Der richtige Umgang mit muslimischen Patienten bedeutet für Ärzte und Pflegekräfte oft eine Herausforderung. Interkulturelle Toleranz ist auf beiden Seiten gefragt.

Von Marion Lisson Veröffentlicht:
Empathie und Kommunikationsfähigkeit sind im Umgang mit ausländischen Patienten wichtig.

Empathie und Kommunikationsfähigkeit sind im Umgang mit ausländischen Patienten wichtig.

© Klaus Rose

HEIDELBERG. "Drei Millionen Muslime werden jährlich in Deutschlands Krankenhäusern medizinisch versorgt", schätzt Dr. Herbert Fluhr von der Uni-Frauenklinik Heidelberg.

Besonders in Großstädten lägen zum Teil bis zu 30 Prozent muslimische Patienten auf Station. Sprachliche Probleme sowie kulturelle und religiöse Unterschiede sorgten dabei so manches Mal für Irritationen, die es aufzulösen gelte.

Deutsche Ärzte seien in der arabischen Welt grundsätzlich hoch geschätzt, berichtete Dr. Ilhan Ilkilic von der Universität Mainz bei einem Symposium des Ethik-Komitees der Uniklinik Heidelberg. Es ging bei der Veranstaltung um interkulturelle Kompetenzen besonders im Umgang mit muslimischen Patienten.

Die sind in Deutschland zunehmend gefragt. Immer mehr zahlungskräftige Patienten aus den Vereinigten Emiraten kommen seit Jahren nach Deutschland, um sich hier behandeln zu lassen Deutsche Klinikchefs nehmen diese Privatpatienten in Zeiten von DRG und Budgetdruck gerne in ihren Häusern auf.

An der Uniklinik Heidelberg wurde für Muslime ein eigener Seelsorger eingestellt. Amen Dali spricht arabisch und deutsch. Als Imam kennt er den Koran, seine Gebete und Regeln.

Er informiert die Gläubigen über die Himmelsrichtung für die vorgeschriebenen fünf Gebete, zitiert aus dem Koran oder hört einfach nur zu. Dali kommt auch in der Nacht, wenn Ärzte bei einem muslimischen Patienten den Hirntod diagnostizieren und im Gespräch mit den Angehörigen Hilfe brauchen.

"Geräte nicht abstellen!"

"Muslimische Angehörige verlangen meist, dass alle Geräte so lange angelassen werden, bis der Patient von allein stirbt", weiß Dali. Konkret geht es um die Frage: Werde ich als Angehöriger am jüngsten Tag vor Gott stehen und mich dafür verantworten müssen, dass ich den Ärzten erlaubt habe, die Maschinen abzustellen.

Muslimische Patienten - auch Krankenschwestern und Pfleger stellt dies im Alltag vor Herausforderungen.

Tina Bauer erinnert sich: "Herr Erdogan lag bei uns auf der Intensivstation", erzählt sie. Der frisch operierte Patient sei in seinem Intensivbett immer unruhiger und zorniger geworden. Verstehen konnte sie seine Sprache nicht. Völlig gestresst rief Bauer schließlich eine Ärztin hinzu, die mit Herrn Erdogan in seiner Muttersprache reden konnte.

"Es stellte sich heraus, dass Herr Erdogan sehr gläubig war und beten wollte. Ein Blutfleck auf seiner Bettdecke hinderte ihn jedoch daran", so Bauer.

Die Heidelbergerin weiß aus Gesprächen, dass sich hier besonders weibliche Pflegekräfte oft respektlos behandelt fühlen. Als Pflegepädagogin wirbt sie bei ihren Krankenschwestern im Umgang mit ausländischen Patienten um mehr Stresstoleranz, Empathie und Kommunikationsfähigkeit.

Elif Elmas von der Islam Consulting GbR aus Mannheim empfahl beim Heidelberger Symposium einen Kurs "Verhaltensknigge für Frauen im Umgang mit Patienten aus den Golfstaaten".

Professor Theo Sundermeier erzählt bei der Veranstaltung in Heidelberg ein extremes Beispiel aus dem Klinikalltag: "Wir hatten eine schwangere Muslimin auf Station und eine schwere Entscheidung zu treffen. Entweder die Mutter oder das Kind konnte nur gerettet werden."

Er habe mit dem Ehemann der Frau gesprochen, so Sundermeier. "Der sagte sofort: Ist es ein Junge oder Mädchen? Der Junge muss leben!"

Im Hörsaal der medizinischen Klinik in Heidelberg kam bei Sundermeiers Erzählung Unruhe auf. Wie genau Sundermeier und seine Kollegen auf die Entscheidung des muslimischen Ehemannes reagierten, blieb an diesem Tag ungeklärt.

Generell wurde aber klar: Toleranz für andere Kulturen aufbringen - das ist keine Einbahnstraße. Beide Seiten müssen letztlich bereit sein, sie aufzubringen: sowohl Ärzte als auch Patienten.

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