Wenn auf das Gehör kein Verlass mehr ist, werden die Hände wichtig

RENDSBURG (di). Es ist eine stille Ausstellung. Denn Besucher der "Schattensprache" lassen sich in die Welt der Taubstummen versetzen. Sie lernen andere Ausdrucksformen und machen Sprache sichtbar.

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Vom lauten Foyer in die absolute Stille sind es nur ein paar Schritte. Wenn sich die Tür im Rendsburger Provianthaus hinter den Besuchern schließt, sorgen schallisolierte Räume und Kopfhörer dafür, dass auf das Gehör kein Verlass mehr ist.

Verständigung ist für alle nur noch in der Form möglich, die der Führer der Besuchergruppe gar nicht anders kennt: über die Hände. Das fällt den meisten Menschen am Anfang schwer, deshalb gibt es bei der ersten Station, dem "Tanz der Hände", zunächst ein paar Lockerungsübungen für die Finger.

Es geht weiter in die "Galerie der Gesichter": Besucher sollen Wut, Überraschung, Ekel oder Erstaunen ausdrücken. Auf Bilder reagieren sie mit Mimik. An anderen Stationen wie etwa im "Forum der Figuren" oder im "Spiel der Zeichen" lernen sie Gebärden und Zeichen kennen, geben sich am Schluss Namen: eine Hand mit ausgestreckten Fingern am Ohr für das Mädchen mit den Ohrringen, die aufrechten Finger über dem Hinterkopf für den Jungen mit den hoch stehenden Haaren. Am Ende geht es in die "Spürbar", wo Besucher in Gebärdensprache ihre Getränke ordern müssen. Auch wenn das etwas länger dauert, gewöhnen sich die meisten schnell daran, mit den Augen zu hören und den Händen zu reden.

Die Idee zur Ausstellung hatte der Journalist und Dokumentar Andreas Heinecke. Er hat das Konzept gemeinsam mit der Kuratorin Orna Cohen und dem schleswig-holsteinischen Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen, Ulrich Hase, in Rendsburg umsetzt. Bis Ende 2008 soll die Ausstellung dort zu sehen sein. Die Initiatoren planen zudem ähnliche Ausstellungen in Israel, Finnland und in der Schweiz.

Heinecke hat schon die Hamburger Ausstellung Dialog im Dunkeln realisiert, in der Sehende in die Welt der Blinden eintauchen. Sein Ziel ist es, einen Zugang in die Welt der Menschen mit Behinderungen zu schaffen und die Toleranz im Umgang mit Minderheiten zu fördern. Manchen bietet die Ausstellung auch direkte Hilfe für hörende und taube Menschen. Die Mutter eines gehörlosen Jungen konnte nach der Ausstellung die Beweggründe ihres Sohnes, der ein Cochlear Implantat ablehnt, besser nachvollziehen: "Weil er sich so wohl fühlt, wie er ist", schrieb die Frau ins Gästebuch. Andere bezeichnen die täglich geöffnete Ausstellung in Rendsburg als "sehr spannende Erfahrung" - die meisten sind aber auch erleichtert, nach rund einer Stunde wieder verbal kommunizieren zu können.

Weitere Informationen zur Ausstellung: www.schattensprache.de

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