Praxisgebühr

Abstimmung über Abschaffung abgeschmettert

Eine Debatte voller Polemik und Schuldzuweisungen: Der Bundestag hat heftig über die Zukunft der Praxisgebühr diskutiert. Die Opposition wollte Nägel mit Köpfen machen und brachte drei Anträge ein, die Zuzahlung abzuschaffen. Doch die Koalition konnte eine Abstimmung verhindern.

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Arzthelferin nimmt die Praxisgebühr von zehn Euro in Empfang. Über diese Eigenbeteiligung der Patienten wurde im Bundestag gestritten.

Arzthelferin nimmt die Praxisgebühr von zehn Euro in Empfang. Über diese Eigenbeteiligung der Patienten wurde im Bundestag gestritten.

© dpa

BERLIN (fuh/sun). Eine Mehrheit der Koalition hat am Donnerstag im Bundestag eine Abstimmung über das Ende der Praxisgebühr verhindert.

In einer polemischen Diskussion voller Schuldzuweisungen hatten SPD, Grüne und die Linken in unterschiedlichen Anträgen gefordert, die Praxisgebühr zu streichen.

Da die Mehrheitsverhältnisse unklar waren, ordnete Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse am Ende der Debatte einen Hammelsprung an: Die Anträge wurden an die Ausschüsse zurücküberwiesen.

Neue inhaltliche Erkenntnisse gab es nicht, dafür aber ein klares Signal: Der Bundestagswahlkampf hat begonnen.

"Hier wird Murks gegen Murks getauscht"

Mehrere Redner der Opposition hatten der Koalition zunächst einen "Kuhhandel" mit Blick auf koalitionsinterne Verhandlungen vorgeworfen.

Danach will die FDP dem von der eigenen Partei eigentlich abgelehnten Betreuungsgeld zustimmen, wenn dafür im Gegenzug die Praxisgebühr abgeschafft wird.

"Hier wird Murks gegen Murks getauscht", sagte der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach. Er forderte die FDP auf, den Antrag der SPD zuzustimmen. "Bei uns gibt es heute die Abschaffung der Praxisgebühr pur - ein Kuhhandel ist bei uns nicht nötig", sagte er.

Anders als dies die Koalition vorsehe, müsse die FDP für die Abschaffung der Praxisgebühr nicht dem Betreuungsgeld zustimmen.

"Wir gehen nicht fremd, wir werden die Sache mit unserem Koalitionspartner regeln", konterte die FDP-Politikerin Christine Aschenberg-Dugnus.

Der SPD-Abgeordnete Edgar Franke sprach von "chaotischen Zuständen" innerhalb der Koalition. Die Praxisgebühr habe keine Steuerungswirkung, sie benachteilige Patienten, führe zu immenser Bürokratie und verursache hohe Verwaltungskosten.

Ähnlich argumentierte Dietmar Bartsch, der den Antrag der Linken auf Abschaffung der Gebühr begründete. Sie sei unsozial, überflüssig und gefährde die Gesundheit, sagte Bartsch.

Große Polemik

Die Debatte war geprägt von großer Polemik. Kontrovers diskutiert wurde dabei mehrmals die Frage, wer eigentlich die Praxisgebühr eingeführt habe und wer sie danach mit welcher Begründung gerechtfertigt habe. Zu neuen Erkenntnissen führte dieser Rückblick nicht.

Mehrere Redner der Koalition wiesen darauf hin, dass die Diskussion über die Abschaffung der Gebühr überhaupt erst wegen der positiven Kassenlage in der GKV möglich geworden sei. "

Allein die Debatte darüber, wie wir mit den Rücklagen umgehen, ist ein Indiz für unsere erfolgreiche Politik", sagte Jens Spahn. (CDU).

Dem widersprach die Grünen-Abgeordnete Biggi Bender. Sie sagte mit Blick auf laufende Gespräche in der Koalition, "das ist ein politischer Kuhhandel, der zum Himmel stinkt."

Johannes Singhammer (CSU) wiederum warf Lauterbach "ein schräges taktisches Spiel" vor. "Ihr schiefer Winkelzug ist zum Misserfolg verdammt", sagte er.

"Wir haben noch Verhandlungsbedarf"

Es gebe gute Gründe, über die Steuerungswirkung, die Finanzierung und die Konstruktion der Praxisgebühr zu diskutieren, räumte der FDP-Abgeordnete Hans Lanfermann ein.

"Wir sind kurz vor dem Ziel, haben allerdings noch Verhandlungsbedarf", sagte er. Das Thema müsse weiter im Gesundheitsausschuss diskutiert werden, "da gehört es hin."

Primäres Ziel müsse es sein, die Finanzkraft der sozialen Kassen zu erhalten, sagte Rudolf Henke (CDU).

Das sei für die Verlässlichkeit und Gültigkeit des Versicherungsversprechens viel wichtiger als die Frage, "ob wir den Ärzten oder Versicherten gefallen oder Applaus dafür bekommen, dass wir uns für eine Abschaffung der Gebühr einsetzen."

Der FDP-Politiker Lars Lindemann brachte hinterher die Einschätzung vieler Beobachter auf den Punkt: "Diese Debatte war überflüssig!"

KBV: Praxisgebühr sollte ausgesetzt werden

Die heftige Diskussion im Bundestag zeige, dass die Praxisgebühr auf dem Prüfstand stehe, sagte der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Roland Stahl, der "Ärzte Zeitung".

Die KBV halte weiter an dem Kompromissvorschlag fest, dass die Praxisgebühr ausgesetzt werden müsse. In der jetzigen Form habe sie keine Wirkung.

Der GKV-Spitzenverband mahnte die Parteien zu mehr Besonnenheit: "Die Praxisgebühr abzuschaffen ist zu radikal", sagte eine Sprecherin der "Ärzte Zeitung".

"Die Finanzierungssicherheit der gesetzlichen Krankenversicherung kann durch einen ersatzlosen Wegfall der Praxisgebühr ins Wanken geraten", mahnte auch der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Dr. Christoph Straub.

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