BSG liest Trägern der Behindertenhilfe die Leviten

Wenn Menschen mit Behinderung das persönliche Budget beantragen, werden sie oft abgewimmelt. Das geht so nicht, sagt das Bundessozialgericht.

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BSG in Kassel: Menschen mit Behinderung nicht sofort in die Verzweiflung schicken.

BSG in Kassel: Menschen mit Behinderung nicht sofort in die Verzweiflung schicken.

© dpa

KASSEL (mwo). Das Bundessozialgericht (BSG) hat den Anspruch Behinderter auf Eingliederung in Arbeit und Gesellschaft gestärkt.

Einen entsprechenden Antrag auf ein "persönliches Budget" dürfen einzelne Rehabilitationsträger nicht auf die Schnelle abbügeln, urteilte das BSG in Kassel. Der Gesetzgeber erwarte eine gutwillige Zusammenarbeit der Träger im Interesse der Menschen.

Für die Eingliederung behinderter Menschen sind - von der Rentenversicherung bis zum Integrationsamt -insgesamt sechs Träger zuständig. Das persönliche Budget wurde 2008 eingeführt und soll als trägerübergreifender Geldbetrag ausbezahlt werden.

Ziel sei "eine Leistung aus einer Hand", sagte der Vorsitzende Richter Josef Berchtold. Angesichts der unüberschaubaren Zuständigkeiten und Leistungen sollten die Betroffenen "nicht sofort in die Verzweiflung" geworfen werden.

Doch Anträge auf ein persönliches Budget würden von überforderten Trägern gerne abgewimmelt, räumte der Vertreter der Rentenversicherung Braunschweig-Hannover ein. Schuld sei die "Zergliederung des Sozialleistungssystems".

Richter Berchtold rügte, die Träger seien offenbar weiterhin vorrangig darauf bedacht, ihr eigenes Budget zu verteidigen. Er sprach von einem "Krieg einer gegen den anderen, innerhalb des Staatswesens".

Im Streitfall hatte sich die Sozialhilfe für nicht zuständig gehalten und den Antrag an die Rentenversicherung weitergeleitet. Die schloss eigene Leistungen ebenfalls aus und lehnte den Antrag ab, ohne die Möglichkeiten eines persönlichen Budgets umfassend zu prüfen. Nach dem Kasseler Urteil muss der Rententräger dies nun umgehend nachholen.

Die Anforderungen des Gesetzgebers seien hoch, doch die Rehabilitationsträger müssten sich dem stellen, forderte das BSG. Konkret ist es danach nicht mehr zulässig, Behinderte von einem zum nächsten Träger immer weiterzureichen; spätestens der zweite angegangene Träger muss entscheiden.

Das Gesetz verlange dabei eine umfassende, trägerübergreifende Feststellung des Bedarfs. Diesen müsse der angegangene Träger gemeinsam mit den anderen Rehabilitationsträgern und dem behinderten Antragsteller beraten. Der so festgestellte Bedarf sei dann in einen monatlichen Geldbetrag umzumünzen. Wer was bezahlt, können die Träger noch danach verhandeln.

Az.: B 5 R 54/10 R

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Zu viele Aufgaben, zu wenig Geld

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