Trotz Wirtschaftskrise können Krankenhäuser und Pharmahersteller zulegen. Das muss nicht zwingend so bleiben, warnen ihre Verbandsfunktionäre. Sie fürchten, dass die Politik spätestens nach der Wahl im Herbst wieder den Sparhammer herausholt.

Von Thomas Hommel

So entspannt wie an diesem Freitagmorgen beim Hauptstadtkongress hat man Georg Baum in den vergangenen Monaten selten gesehen. Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) freut sich über ein Wachstum der Krankenhäuser, "das im laufenden Jahr bei etwa vier bis fünf Prozent liegen wird". Nach all den Negativ-Schlagzeilen über "Kliniksterben" und milliardenschwere Etatlöcher sei das "eine sehr gute Entwicklung". Die Klinikmanager könnten daher von sich behaupten: "Wir stabilisieren die Konjunktur."

In anderen Branchen müsse wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise über Entlassungen nachgedacht werden. In der Gesundheitswirtschaft suche man händeringend nach neuen, qualifizierten Mitarbeitern, so Baum. Allein im ärztlichen Bereich seien 4000 Arztstellen nicht besetzt.

Folgen nach der Wahl im Herbst neue Kürzungen?

Bei dem Gedanken an die Zeit nach der Bundestagswahl ist es Baum aber schon wieder ganz anders zumute. "Überall wird erwartet, dass die Politik dann in massive Konsolidierungsaktivitäten eintritt." Das aber sollte die Politik gefälligst lassen - vor allem in der Gesundheitswirtschaft, wo es rund 4,5 Millionen sichere Arbeitsplätze gebe, davon allein knapp eine Million in den Kliniken. "Man würde die Krise noch weiter verschärfen, wenn man diese sicheren Arbeitsplätze durch Entzug von Finanzmitteln wieder in Unsicherheit bringt", erklärt Baum.

Es wäre doch geradezu "grotesk", auf der einen Seite ein Programm für 19 000 neue Pflegestellen in den Kliniken aufzulegen und auf der anderen Seite Mittel aus dem Gesundheitswesen wieder herauszuziehen. "Deshalb hoffe ich, dass die Politik weitsichtig ist."

Zu dieser Weitsichtigkeit zähle auch, so Baum, die Krankenkassen von der Pflicht zur Rückzahlung des Bundesdarlehens zu entbinden. Geschehe dies nicht, "werden die natürlich versuchen, diese Last an uns, die Leistungserbringer, weiterzugeben." Und dann seien wieder die bekannten Negativ-Schlagzeilen zu lesen - über Kliniksterben und Finanzlöcher.

"Die Gesundheitswirtschaft ist ein Stabilitätsanker in der Krise", betont auch Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (VfA). Die Branche dürfe in diesen Tagen erfahren, dass sie nicht mehr länger als Kostenfaktor gesehen werden, sondern als "Asset der deutschen Volkswirtschaft". Einer aktuellen Umfrage des VfA zufolge würden 72 Prozent der Unternehmen von einem "moderaten Anstieg ihrer Umsätze" ausgehen. Große Konzerne wie Roche oder Sanofi-Aventis planten sogar Investitionen in zweistelliger Größenordnung.

"Das sind Summen, die sich positiv abheben von allen Krisenbotschaften, die wir in diesen Tagen in den Medien nachlesen." Doch trotz solcher Positiv-Meldungen, so Yzer, würden derzeit ganz andere Branchen gefördert. Da werde Opel von der Politik gerettet, und da werde nur wenige Stunden später schon gefragt, ob nicht auch Karstadt und Hertie gerettet werden sollen.

Für Yzer die falsche Diskussion: "Wir stecken sehr viel Geld in Maßnahmen, die überkommene Strukturen konservieren, statt darüber nachzudenken, wie wir Zukunftsbranchen von morgen bauen wollen." Die Pharmaindustrie sei eine solche "Zukunftsbranche", denn sie investiere allein in Deutschland jeden Tag rund 13 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung. Mehr als 60 neue Medikamente seien in den vergangenen zwei Jahren zugelassen worden. "Dann sollte man sich aber auch fragen, was kann man eigentlich tun, um solche Zukunftsbranchen zu fördern?"

Die Pharmaindustrie wolle auch künftig keine öffentlichen Mittel in Anspruch nehmen. Im Gegenteil: "Wir sind stolz darauf, Innovation ohne Subvention zu liefern." Aber: "Wenn ich sehe, wie Milliardensummen hin- und hergerückt werden, um Strukturen alter Industrien noch ein Stück weiter zu erhalten, dann frage ich mich schon, warum wir uns am deutschen Forschungsstandort mit Handicaps rumschlagen müssen, die konkurrierende Staaten nicht haben?" Ein Handicap sei das Fehlen einer steuerlichen Forschungsförderung in Form von so genannten "tax credits". "Wir sind in einer Situation, dass gerade junge Biotechologie-Unternehmen extreme Schwierigkeiten haben, in diesen Tagen an Kapital zu kommen", so Yzer. Springe der Staat ihnen nicht bei, würden viele der Firmen in Länder abwandern, in denen Forschung steuerlich gefördert wird.

Ruhephase zum Umbau der Gesundheitsbranche nutzen!

Geht es nach Professor Axel Ekkernkamp, Unfallchirurg und Chef des Unfallkrankenhaues Berlin-Marzahn (ukb), dann sollten die Akteure der Gesundheitswirtschaft nicht nur Appelle und Forderungen an die Politik richten, sondern sich auch an die eigene Nase fassen. "Diese Phase der Ruhe, die wir durch das Konjunkturpaket II haben, sollten wir dazu nutzen, um uns neu zu strukturieren in der Branche", lautet seine Empfehlung. Werde der Milliardenbetrag, der aus dem Konjunkturpaket an die Kliniken geht, nur dazu genutzt, alte Strukturen zu zementieren, dann sei das verschenktes Geld.

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