Pflegeversicherung

DAK: Sozialhilfequote in Altenheimen steigt wieder stark an

Wegen steigender Kosten in der stationären Pflege erreicht die Belastung der Pflegebedürftigen ein neues Rekordniveau, rechnet die Krankenkasse DAK-Gesundheit vor. Die Ampel müsse gegensteuern.

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Armutsrisiko Heim: Laut DAK-Gesundheit nimmt die Zahl der stationär betreuten Pflegebedürftigen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, wieder zu.

Armutsrisiko Heim: Laut DAK-Gesundheit nimmt die Zahl der stationär betreuten Pflegebedürftigen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, wieder zu.

© Peter Atkins / stock.adobe.com

Berlin. Gut 25 Jahre nach Einführung der sozialen Pflegeversicherung entwickeln sich Deutschlands Altenheime erneut zur Armutsfalle.

Laut einer am Dienstag vorgestellten Studie für die DAK-Gesundheit steigt der Anteil der Heimbewohnenden, die Sozialhilfe beanspruchen, im Laufe dieses Jahres wieder auf mehr als ein Drittel (32,5 Prozent). Bis 2026 könnte der Anteil auf 36 Prozent anwachsen, teilte die Kasse mit und verwies auf neue Berechnungen des Bremer Gesundheitsökonomen Professor Heinz Rothgang.

Die höchste Quote bei der pflegebedingten Sozialhilfe wurde demnach Anfang 2022 mit knapp 37 Prozent erreicht. Im Zuge mehrerer Reformregelungen wie der Einführung zeitlich gestaffelter Leistungszuschläge konnte der Wert zuletzt auf 30,5 Prozent gesenkt werden (siehe nachfolgende Grafik).

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Bundesweit leben rund 700.000 Menschen in Alten- und Pflegeheimen. Die Eigenanteile der Bewohner bei den Kosten für Pflege, Investitionen, Unterkunft und Verpflegung hatten zuletzt die 2000-Euro-Marke im Monat deutlich übersprungen – laut Studie könnten sich allein die pflegebedingten Eigenanteile (EEE) inklusive Ausbildungskosten (AK) bis zum Jahr 2026 auf knapp 1750 Euro hochschaukeln. 2017 hatte der Betrag noch bei knapp 580 Euro gelegen.

Reformkosten von 14 Milliarden Euro

DAK-Vorstandschef Andreas Storm forderte die Bundesregierung zu Schritten auf, um die Sozialhilfequote in Heimen auf unter 30 Prozent zu begrenzen. Die 14 Milliarden Euro, die eine „umfassende“ Pflegereform erfordere, müsse auf einem „fairen Finanzierungsmix aus Steuern und Beiträgen“ fußen.

Der Betrag setze sich aus rund vier Milliarden Euro für die Senkung der Eigenanteile bei der Heimpflege, weiteren zwei Milliarden Euro für eine zehnprozentige Anhebung des Pflegegelds bei häuslicher Pflege sowie drei Milliarden Euro für die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu Regelungen für eine Beitragssatzentlastung kinderreicher Familien zusammen.

Zudem sei das strukturelle Finanzierungsdefizit bei der Pflegeversicherung in Höhe von rund fünf Milliarden Euro zu schließen, so Storm. 7,5 Milliarden Euro seien dabei über Bundesmittel, die restliche Summe von 6,5 Milliarden Euro über eine Anhebung der Beiträge um 0,4 Prozentpunkte zu finanzieren.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte zuletzt Reformschritte bei der Pflege angekündigt. Allerdings gibt es in der Koalition Streit über die Höhe der zusätzlichen Steuermilliarden. Auch der Vizechef beim GKV-Spitzenverband, Gernot Kiefer, hatte in der Ärzte Zeitung zuletzt weitere Bundesmittel gefordert, um die Pflege nachhaltig und fair zu finanzieren.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Maria Klein-Schmeink, erinnerte anlässlich der Veröffentlichung der DAK-Studie daran, dass die Refinanzierung durch Steuermittel für die Aufwendungen für die Rentenbeiträge pflegender Angehöriger und die Übernahme der Ausbildungsumlage aus der Pflegeversicherung im Koalitionsvertrag der Ampel vereinbart seien. Auf diese Weise ließen sich die Pflegeversicherungsbeiträge um rund 4,5 Milliarden Euro jährlich entlasten.

Bereits Mitte 2023 gerate die Pflegeversicherung erneut ins Minus. Es bestehe daher dringender Handlungsbedarf. „Dem müssen sich alle Koalitionspartner stellen“, so Klein-Schmeink.

Pflegeexperte Rothgang: Nachsteuernde Schritte nötig

Studienautor Rothgang rechnete vor, dass die Entlastungen der jüngsten Reformschritte bei den Eigenanteilen schon in diesem Jahr verpufft seien. Lediglich für die pflegebedürftigen Menschen mit mindestens dreijähriger Pflegedauer im Heim habe die Reform eine Entlastung gebracht, die auch bis zum Jahr 2026 anhalte.

Sollten die Ziele der Pflegeversicherung nicht komplett verfehlt werden, sei noch in dieser Legislatur ein nachsteuernder Reformschritt notwendig, so der Experte. (hom)

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