Hintergrund

"Die Menschen in Pakistan brauchen Essen, Essen, Essen, Essen und sauberes Wasser"

Millionen Flutopfer in Pakistan warten weiter auf humanitäre Hilfe. Der Wiederaufbau dürfte Jahre dauern. Immerhin: Führende Hilfsorganisationen verzeichnen erste Erfolge im Kampf gegen die Folgen der Katastrophe.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Reis für die Kinder: Flutopfer in Pakistan kämpfen ums Überleben.

Reis für die Kinder: Flutopfer in Pakistan kämpfen ums Überleben.

© Xinhua / imago

Der Pressemann der international tätigen Hilfsorganisation Care, Thomas Schwarz, hat in seinem Berufsleben schon einiges erlebt. Doch das, was sich derzeit im von gewaltigen Flutmassen erschütterten Pakistan abspielt, ist auch für ihn ein Novum.

Schwarz, der zwei Wochen lang in Pakistan im Einsatz war, spricht von einer "unglaublichen menschlichen Katastrophe, die jede Vorstellungskraft übersteigt". Hinter all den "großen und anonymen" Zahlen wie den schätzungsweise 3400 Toten, den 17 Millionen "in irgendeiner Weise" von der Flut betroffenen Menschen oder den eine Million Obdachlosen steckten ganz konkrete menschliche Tragödien, sagt Schwarz.

Etwa die der erst 20-jährigen Balqis, die in einem Waldstück im Nordwesten Pakistans lebt und im achten Monat schwanger ist. Oder die Geschichte eines 70-Jährigen, der Schwarz um ein Paar Schuhe bittet, da er in den Fluten sein gesamtes Hab und Gut verloren hat. Oder die Geschichte eines vierjährigen Jungen, der mit leicht erhöhter Temperatur und Husten auf einem feuchten Lehmboden liegt und ums Überleben kämpft. In Deutschland bekomme man so etwas mit einer Vitamin C-Tabletette wieder hin, so Schwarz.

Trotz des großen Leids, das die Fluten über Pakistan gebracht haben, verzeichnen die Hilfsorganisationen inzwischen erste Erfolge. "Aufgrund der mittlerweile zahlreichen Spenden konnten unsere Mitgliedsorganisationen ihre Hilfe nun auch auf die Provinzen Punjab und Sindh ausweiten", sagt Manuela Roßbach von der "Aktion Deutschland Hilft". Das 2001 ins Leben gerufene Bündnis vereint zehn deutsche Hilfsorganisationen - darunter Help, Johanniter International und das Kinderhilfswerk Global Care. Im Falle großer Katastrophen - wie der in Haiti Anfang des Jahres oder der jetzt in Pakistan - würden die Mitglieder ihre Kräfte bündeln, um so "schnelle und effektive Hilfe" vor Ort leisten zu können, sagt Roßbach.

Die anfänglich sehr zurückhaltende Spendenbereitschaft der Bundesbürger erklärt sich Roßbach mit unterschiedlichen Faktoren. Ursächlich seien wohl politische Vorbehalte dem Land Pakistan gegenüber, die Tatsache, dass die Deutschen für die Erdbeben-Opfer des Inselstaates Haiti bereits "sehr generös" gespendet hätten und der Umstand, dass der Beginn der Flutkatastrophe in Pakistan in die Urlaubszeit gefallen sei.

Nach Angaben von Roßbach haben die Deutschen bisher rund 16 Millionen Euro für die Flutopfer in Pakistan gespendet. Mit dem Geld hätten die Hilfsorganisationen in Pakistan 250 000 Menschen mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser, Decken und Planen, Hygiene- und Kochutensilien versorgen können. Etwa 4000 Obdachlose habe man in Zelten unterbringen können. Für etwa 150 000 Pakistani sei die Versorgung mit Medikamenten für einen Monat sichergestellt worden. In mobilen Kliniken würden täglich 8000 Menschen medizinisch versorgt.

Das aber reicht nur für den Augenblick. "Gleichzeitig mit der laufenden Nothilfe für Pakistan muss der Wiederaufbau jetzt geplant werden", betont Care-Hauptgeschäftsführer Dr. Anton Markmiller. Niemand könne derzeit zwar sagen, "was sich unter den Wassermassen genau an Aufgaben verbirgt". Auf jeden Fall müssten "in dieser Katastrophe einmalige Wege beschritten werden". Dazu gehöre auch die von der NATO eingerichtete Luftbrücke für Pakistan.

Auch das zerstörte Berlin habe nach dem Zweiten Weltkrieg nur dank einer Luftbrücke der Alliierten überleben können. "Jetzt haben wir die Chance, zurückzugeben, was wir einst erhielten", so Markmiller. Mit der von der Bundesregierung bereit gestellten humanitären Hilfe in Höhe von 25 Millionen Euro sei er "zufrieden", so Markmiller. Für den langfristigen Wiederaufbau Pakistans reiche das Geld aber nicht aus.

Die Menschen in Pakistan bräuchten jetzt vor allem "Essen, Essen, Essen, Essen und sauberes Wasser", sagt Care-Pressesprecher Schwarz. "Nur, wenn die Menschen etwas zu essen und zu trinken haben, können sie ihr Land wiederaufbauen." Hungernde und kranke Menschen seien dazu nicht in der Lage.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Statistisches Bundesamt

Gender Pay Gap bleibt konstant

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Systematisches Review und Metaanalyse

Antidepressiva absetzen: Welche Strategie ist am wirksamsten?

„ÄrzteTag“-Podcast

Wie erkenne ich Schmerzen bei Menschen mit Demenz, Professorin Miriam Kunz?

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an

Eine MFA schaut auf den Terminkalender der Praxis.

© AndreaObzerova / Getty Images / iStockphoto

Terminservicestellen und Praxen

116117-Terminservice: Wie das Bereitstellen von TSS-Terminen reibungsloser klappt