Genome-Editing-Techniken
Ethikräte mahnen vor Keimbahneingriffen Debatte an
Einen vorläufigen Stopp für erbliche Genome-Editing-Techniken fordern Ethikräte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Doch der Grat gemeinsamer Überzeugungen ist schmal.
Veröffentlicht:Berlin. Die drei maßgeblichen Ethikgremien in Deutschland, Großbritannien und Frankreich warnen in einer gemeinsamen Erklärung vor weiteren klinischen Versuchen, mit denen in die Genome künftiger Kinder eingegriffen wird.
„Es sollten keine klinischen Versuche zum Einsatz von Keimbahneingriffen durchgeführt werden, bevor nicht eine breite gesellschaftliche Debatte über die Vertretbarkeit der betreffenden Interventionen stattgefunden hat“, heißt es in der Erklärung des Deutschen Ethikrats, des französischen Comité Consultatif National d`Éthique pour les sciences de la vie et de santé (CCNE) und des britischen Nuffield Council on Bioethics (NCOB).
Kulturelle Unterschiede
Die dafür nötige Debatte müsse über Risiken-Chancen-Analysen hinausgehen und „angemessene ethische Grundsätze“ berücksichtigen. Über deren Auswahl gibt es indes keine vollständige Übereinstimmung. „Kulturell geprägte Abstufungen“ existieren in den drei Ethikräten darüber, dass ethisch zulässige Anwendungen nicht zu „verstärkten Benachteiligungen, Diskriminierungen und Spaltungen in der Gesellschaft“ führen dürfen.
Neben dem Prinzip der Solidarität und der sozialen Gerechtigkeit fokussiert sich der NCOB zudem auf das Leitprinzip, dass „jede Intervention mit dem Wohlergehen der zukünftigen Person“ vereinbar sein sollte. Die Gremien in Deutschland und Frankreich heben außerdem die Prinzipien der Schädigungsvermeidung und der Wohltätigkeit hervor.
Alle drei Räte halten klinische Anwendungen erblichen Genome-Editings nicht grundsätzlich für moralisch unzulässig. Die Spielräume für ethisch zulässige Eingriffe werden in den drei Ländern aber unterschiedlich weit bewertet.
Die Verhinderung der Vererbung schwerer Erkrankungen wird übereinstimmend als möglicherweise akzeptabel beschrieben. Dagegen lehnt der französische Rat alle „Enhancement“-Anwendungen ab. Der Deutsche Ethikrat fordert dagegen, solche Anwendungen von Fall zu Fall zu beurteilen.
„Akzeptables Niveau“ der Unsicherheit
Gemeinsam halten die Räte fest, dass klinische Versuche zum Einsatz von Keimbahneingriffen solange unterlassen bleiben sollten, bis die Unsicherheit derartiger Eingriff ein „akzeptables Niveau“ erreicht hat. In Deutschland, Frankreich und Großbritannien sind Keimbahneingriffe per Gesetz verboten.
Indes gibt es in anderen Ländern teils keine wirksamen gesetzlichen Kontrollen, heißt es in der Mitteilung. Die Ethikräte rufen daher alle Staaten auf, die behördliche Überwachung von erblichem Genom-Editing sicherzustellen und Missbrauch zu bestrafen.
Im November 2018 hatte der chinesische Wissenschaftler He Jiankui die Geburt zweier Mädchen bekannt gegeben, deren Erbgut mit der Genschere Crispr/Cas9 manipuliert worden war. „Das Thema muss aus der Fachdebatte in die gesellschaftliche Debatte. Das hat eine menschheitsgeschichtliche Dimension“, hatte darauf der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats Professor Peter Dabrock gefordert.