Vor der Präsidentenwahl

Heftige Kritik an Trump wegen politischen Drucks bei Corona-Impfung

Veröffentlicht:

Washington. Gesundheitsexperten und führende Demokraten haben US-Präsident Donald Trump dafür kritisiert, die für die Zulassung eines Corona-Impfstoffs zuständige Behörde unter Druck zu setzen. Trumps Einmischung in die wissenschaftliche Arbeit der Lebens- und Arzneimittelbehörde (FDA) gefährde die Gesundheit aller US-Amerikaner, erklärte die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, am Samstag (Ortszeit). Die FDA müsse aufgrund der Verträglichkeit und Wirksamkeit eines Impfstoffs entscheiden, „nicht wegen politischen Drucks aus dem Weißen Haus“, schrieb die Demokratin auf Twitter.

Die Epidemiologin Caitlin Rivers von der Universität Johns Hopkins in Baltimore erklärte: „Eine Impfung muss sicher, wirksam und vertrauenswürdig sein.“ Alle drei Kriterien müssten erfüllt werden. „Es wäre eine Tragödie, wenn Politiker aus politischen Gründen die eine Sache in Gefahr bringen würden, die uns erlauben könnte, zu unserem normalen Leben zurückzukehren“, schrieb Rivers auf Twitter. Der frühere Chef der US-Gesundheitsbehörde CDC, Tom Frieden, mahnte, bei der Entwicklung von Impfstoffen dürften keine Abkürzungen genommen werden. Der Prozess müsse transparent und rigoros sein.

Pressekonferenz zum „China-Virus“

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Kayleigh McEnany, kündigte bei Twitter eine Pressekonferenz mit dem Präsidenten für Sonntagabend an. Es gehe um einen „bedeutenden therapeutischen Durchbruch in Bezug auf das China-Virus“, schrieb McEnany am Samstagabend. Auch Gesundheitsminister Alex Azar und FDA-Chef Stephen Hahn würden an der Pressekonferenz teilnehmen. Als „China-Virus“ bezeichnet Trump gewöhnlich das Coronavirus. Er hat China wiederholt die Schuld an dessen Ausbreitung gegeben.

Trump hatte zuvor auf Twitter behauptet, bei der FDA erschwerten ihm feindlich gesinnte Beamte die Entwicklung von Corona-Medikamenten und Impfstoffen, damit es vor der Wahl am 3. November keine Erfolgsmeldung geben könne. Die Vertreter des „tiefen Staates, oder wer auch immer“, machten es den Pharmaunternehmen schwer, Probanden für Medikamente und Impfstoffe zu bekommen, schrieb er weiter. An Behördenchef Hahn gerichtet schrieb er: „Wir müssen uns auf Geschwindigkeit und das Retten von Leben konzentrieren.“

Trump bewirbt sich im November um eine zweite Amtszeit. Die Corona-Pandemie und die von ihr ausgelöste Wirtschaftskrise könnte ihn Umfragen zufolge aber einen Wahlsieg kosten. Trump hatte bereits zuvor gesagt, er hoffe, dass es etwa zur Zeit der Wahl einen Impfstoff geben werde. Experten haben allerdings gewarnt, dass jegliche politische Einmischung in die Zulassung dessen Legitimität und Sicherheit in Frage stellen könnte. Sollte es bezüglich des Impfstoffs Zweifel geben, könnten viele Menschen auf eine Impfung verzichten, womit die Pandemie letztlich schwerer einzudämmen wäre.

FDA-Chef Hahn: „Es gibt keinen Druck auf die FDA“

FDA-Chef Hahn hat wiederholt erklärt, dass sich die Behörde bei der Zulassung eines Corona-Impfstoffs an ihre bekannten und streng wissenschaftlichen Abläufe halten werde. Es gebe keinen Druck auf die FDA, ihre bewährten Kriterien aufzuweichen, sagte er weiter.

Die frühere FDA-Chefin Peggy Hamburg sagte der „Washington Post“, es sei „bedauerlich“, dass der Präsident nicht verstehe, wie die Behörde für die Gesundheit der Amerikaner arbeite. Die FDA politisch zu instrumentalisieren sei gefährlich. „Sie muss unabhängig sein, um ihren Job ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen zu machen“, sagte sie.

Derzeit befinden sich mehrere Impfstoffkandidaten in großen klinischen Studien mit bis zu 30 000 Probanden. Sollten diese im Herbst erfolgreich abgeschlossen sein, könnten die Aufsichtsbehörden mit dem – normalerweise aufwendigen und langwierigen – Prozess der Zulassung beginnen. Experten der US-Regierung, darunter der Immunologe Anthony Fauci, haben sich zuversichtlich gezeigt, dass es Anfang oder Mitte 2021 einen wirksamen Impfstoff geben könnte.

In den USA, einem Land mit 330 Millionen Einwohnern, gibt es bislang rund 5,7 Millionen bestätigte Infektionen mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 und 176 000 damit in Verbindung stehende Todesfälle. Täglich werden im Schnitt rund 45 000 Neuinfektionen gemeldet. (dpa)

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Vor dem World Health Assembly

WHO-Pandemieabkommen noch lange nicht konsensfähig

Leicht geringere Sterblichkeitsrate

Sind Frauen besser bei Ärztinnen aufgehoben?

Kommentar zum Umgang mit aggressiven Patienten in Frankreich

Klima der Gewalt

Das könnte Sie auch interessieren
Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Stabile Erkrankung über sechs Monate

Erste Erfolge mit CAR-T-Zelltherapien gegen Glioblastom

„ÄrzteTag“-Podcast

Was steckt hinter dem Alice-im-Wunderland-Syndrom, Dr. Jürgens?

Lesetipps
Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert

Gefangen in der Gedankenspirale: Personen mit Depressionen und übertriebenen Ängsten profitieren von Entropie-steigernden Wirkstoffen wie Psychedelika.

© Jacqueline Weber / stock.adobe.com

Jahrestagung Amerikanische Neurologen

Eine Frage der Entropie: Wie Psychedelika bei Depressionen wirken