Integrierte Versorgung

Ist die Luft schon raus?

Bei der Integrierten Versorgung läuft nicht alles rund. Manche Experten sehen das Problem beim Bundesversicherungsamt, andere bei den Kassen. In Hamburg wurden Lösungen gesucht.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Hier ist die Luft eindeutig raus.

Hier ist die Luft eindeutig raus.

© nito / fotolia.com

HAMBURG. Die Chancen der Integrierten Versorgung (IV) werden derzeit in Deutschland nicht ausgeschöpft. Politik und Selbstverwaltung übten deshalb beim achten Symposium für Integrierte Versorgung auch Selbstkritik.

Eigentlich, so Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks zum Auftakt des Symposiums, hätte sie ja ihre Begrüßungsrede vom Vorjahr wieder herausholen können.

Für sie ein "dramatisches Indiz" dafür, dass sich im abgelaufenen Jahr für die Integrierte Versorgung nicht viel bewegt hat. Die SPD-Ministerin sieht Stagnation, zum Teil Rückschritte.

Als solche sieht sie unklare gesetzliche Bedingungen an, etwa zur Frage, ob für IV-Modelle ein öffentliches Vergabeverfahren erforderlich ist - was Prüfer-Storcks als "völlig lebensfremd" empfindet.

Ein anderer Hemmschuh ist für sie die Forderung, dass Einsparungen durch IV-Modelle schon bei Vertragsabschluss nachgewiesen werden sollen: "Ich glaube, dass sich das BVA hier verrannt hat", sagte Prüfer-Storcks.

Kosten-Nutzen-Analysen hält sie zwar für richtig, die derzeit geltende Regelung sei aber eher ein Konjunkturprogramm für Gesundheitsökonomen.

Ansatzpunkt Budgetbereinigung

Auch ihr Parteikollege Professor Karl Lauterbach hält die Regelung für "wirklichkeitsfremd" und stellte fest: "Die Integrierte Versorgung hat sich nicht gut weiter entwickelt."

Der sofortige Einsparnachweis ist aus seiner Sicht eine Benachteiligung gegenüber anderen Versorgungsformen und rückt sie in einen Sonderstatus. Lauterbach forderte zudem eine vereinfachte Budgetbereinigung.

Ebenfalls enttäuscht zeigte sich Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister a. D. Dr. Heiner Garg (FDP), der - frei von der Last des Amtes - heftige Kritik an Gesundheitspolitiker der Union, aber auch an die eigenen Reihen richtete.

Garg sprach von einer verpassten Chance in dieser Legislaturperiode, weil versäumt wurde, dass sich Leistungserbringer von der Orientierung an Sektoren verabschieden.

Für deren Verhalten zeigte er angesichts fehlender Anreize Verständnis, prognostizierte aber: "Das fliegt uns um die Ohren."

Damit das nicht geschieht, forderte Gastgeber Professor Fokko ter Haseborg einen Innovationsfonds, der einen Wettbewerb um Qualität im Gesundheitswesen fördert.

"Wir brauchen endlich eine Versorgung aus einem Guss, die niedergelassene Ärzte, Krankenhäuser, weitere Leistungsanbieter sowie die Krankenkassen einbezieht", sagte der Vorstandsvorsitzende des Albertinen-Diakoniewerks.

Flankiert werden sollte dies durch erhöhte Patientensouveränität mit der Folge stärkerer Eigenverantwortung. Die damit zu erzielenden Wirtschaftlichkeitsreserven belaufen sich laut ter Haseborg auf 25 Milliarden Euro.

Speisen will er den Innovationsfonds aus Überschüssen des Gesundheitsfonds - davon hätten Patienten mehr als von Prämienausschüttungen.

Warum investieren die Kassen immer zurückhaltender in IV-Modelle? Ingo Kailuweit, Vorstandschef der KKH-Allianz erklärte dies mit dem "immensen Aufwand", den eine IV-Vereinbarung für die Kassen bedeute.

Kassen wollen Autonomie

Von 400 eingereichten Modellen würden am Ende nur rund zehn in die Umsetzung gelangen. Hinzu kommt: "Selektivverträge müssen kollektiv erwirtschaftet werden."

Die Kosten für die IV über einen Zusatzbeitrag zu finanzieren hält er für problematisch, denn: "Ein höherer Preis betrifft alle Versicherten, die Vorteile einer IV-Vereinbarung aber nur einen kleinen Ausschnitt."

Bessere Chancen hätte die IV aus seiner Sicht, wenn die Kassen wieder autonom über ihre Beiträge entscheiden könnten. Zurück in die alte Welt der Anschubfinanzierung will Kailuweit aber nicht: IV habe genug Potenzial, damit sich die Modelle auch ohne Anschubfinanzierung rechnen.

"Überhaupt keinen Grund für Pessimismus" sah Professor Volker Amelung vom Bundesverband Managed Care. Ihm war die Argumentation "zu bürokratisch".

Sein Appell: Mehr darauf achten, was die Menschen wollen und die bestehenden Rahmenbedingungen besser ausschöpfen, statt sie nur zu kritisieren. Die Daseinsberechtigung der IV steht für ihn außer Frage.

"Selektiv bringt Feuer in die Lethargie des Kollektivsystems", sagte Amelung. Über diesen Weg könnten immer wieder Schwächen im Kollektivvertragssystem korrigiert werden.

Dies bekräftigte in Hamburg auch Andreas Reinert von der GSB Gesundheitssystemberatung. "Das Kollektivvertragssystem ist nicht in der Lage, Über-, Unter- oder Fehlversorgung zu vermeiden.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: IV ist noch nicht am Ende

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Dr. med. Gerhard M. Sontheimer (ANregiomed, Region Ansbach) und Holger Baumann (Kliniken der Stadt Köln, v.l.) haben in der Praxis gute Erfahrungen mit Systempartnerschaften gemacht.

© Philips

Mehr Spielraum für moderne Prozesse in der Klinik

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Philips GmbH Market DACH, Hamburg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Ein älterer Herr, der einen medizinischen Fragebogen ausfüllt.

© buritora / stock.adobe.com

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Eine junge Frau fasst sich an ihren schmerzenden Ellenbogen.

© Rabizo Anatolii / stock.adobe.com

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Eine Ärztin hält einen Reagenzstreifen zur Analyse einer Urinprobe in der Hand.

© H_Ko / stock.adobe.com

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?