Stress im Job

Mitarbeiter gefährden eigene Gesundheit

Stress am Arbeitsplatz gefährdet die Gesundheit der Mitarbeiter - auch weil sie mit sich selbst nicht pfleglich umgehen. Ausbrechen aus dem Teufelskreis können Arbeitgeber und Arbeitnehmer nur gemeinsam, heißt es in einer Studie.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Viele Arbeitnehmer bürden sich im Berufsalltag große Lasten auf.

Viele Arbeitnehmer bürden sich im Berufsalltag große Lasten auf.

© GlobalStock / iStock

BERLIN. Ständig steigende Zielvorgaben treiben immer mehr Arbeitnehmer in ein gesundheitsgefährdendes Verhalten, beeinflussen deren körperliche und psychische Beanspruchungssymptome nachhaltig.

Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Gesundheitsmonitor der Bertelsmann Stiftung und der Barmer GEK, eine repräsentative Befragung unter 1000 Erwerbstätigen, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde.

Typische Belastungsfaktoren sind nach der Untersuchung ein zu hohes Arbeitspensum, starker Termin- und Leistungsdruck, Multitasking, Arbeitsunterbrechungen, mangelnde soziale Unterstützung sowie geringe Handlungsspielräume der betroffenen Beschäftigten.

Die gesundheitlichen Folgen zeigten sich in zunehmenden körperlichen und psychovegetativen Beanspruchungs- und Erschöpfungssymptomen der Betroffenen.

18 Prozent stoßen nach eigenen Angaben oft an ihre Leistungsgrenzen, 23 Prozent arbeiten ohne Pausen durch, jeder Achte schleppt sich krank zur Arbeit.

Orientierung am Leistungspotenzial gefordert

Wie die Autoren der Untersuchung schreiben, steht der seit mehr als zehn Jahren in Unternehmen zu beobachtende Anstieg der Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen in Verbindung mit immer mehr Stress am Arbeitsplatz.

Die damit assoziierten Produktionsausfallkosten werden mit Verweis auf Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) allein für das Jahr 2012 auf sechs Milliarden Euro geschätzt.

In Unternehmen ist es notwendig, sich mit den Zielspiralen auseinanderzusetzen, die sich allein am Markt und am ökonomischen Wachstum und eben nicht am Leistungspotenzial der Beschäftigten orientieren, warnen die Studienautoren.

Sie plädieren für Anreizsysteme, die Beschäftigten Wachstumspotenziale aufzeigen können und diese nicht nur einem immer unwahrscheinlicheren Erreichen des stetig steigender Zielvorgaben aussetzen.

Etwas mehr Handlungsspielraum für die einzelnen Beschäftigten sei auch ein Lösungsansatz, um dem zunehmenden Stress am Arbeitsplatz zu begegnen. Konkret könnten so erhöhte Handlungs- und Entscheidungsspielräume eindeutig als Mittel verstanden werden, um das positive Erleben des Arbeitsalltags zu begünstigen.

Realistische Ziele in Vereinbarungen zwischen Vorgesetzten und ihren Mitarbeitern könnten, so lautet eine Handlungsempfehlung im Gesundheitsmonitor, die Unsicherheit auf Seiten der Mitarbeiter reduzieren, indem sie Orientierung und Struktur vermitteln - und damit helfen, Prioritäten zu setzen.

Seien Ziele von Vorgesetzten realistisch definiert und auch von Beschäftigten selbst mit beeinflusst, so würden sie unter Berücksichtigung des eigenen Leistungsvermögens und der vorhandenen Ressourcen im Arbeitsumfeld als herausfordernd, aber zugleich als realistisch und erreichbar eingeschätzt werden.

So verstanden, stelle Führen über Ziele ein wesentliches Element gesundheitsgerechter Mitarbeiterführung dar.

Selbstdisziplin schützt vor zu viel Psychostress

Darüber hinaus fordern die Studienautoren von den gestressten Beschäftigten aber auch ein Quantum Selbstdisziplin ein. Es liege auch in deren Verantwortung , die Dynamik der ständig steigenden Anforderungen durch das eigene undosierte selbstgefährdende Leistungsverhalten und eine Überidentifikation mit den gesetzten Zielvorgaben nicht noch weiter anzureizen.

Ihnen sollten die Zusammenhänge und potenziellen Einflüsse der Steuerungssysteme auf ihr Gesundheitsverhalten bewusst gemacht werden. Es gehe darum, Leistungsgrenzen - eigene und fremde - wahrzunehmen, anzunehmen, zu kommunizieren und durchzusetzen.

Das bedeute auch, sich abzugrenzen. Dazu bedürfe es einer Kultur der Achtsamkeit nicht nur seitens der Führung, sondern auch der Teammitglieder untereinander sowie nicht zuletzt der Beschäftigten im Umgang mit sich selbst.

Die Studie rief auch sofort den DGB auf den Plan. Sie "belegt einen gefährlichen Trend, der durch die Digitalisierung der Arbeitswelt beschleunigt wird. Das Versprechen neuer Freiheiten verkehrt sich ins Gegenteil, wenn nur noch Ergebnisse zählen und unerreichbare Zieldiktate vorgegeben werden", sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach (mit Material von dpa)

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Kommentare
Wolfgang Ebinger 17.03.201510:39 Uhr

Gelebte Inkonsequenz

Der gesunde Menschenverstand - und im übrigen auch das aus der Produktionswirtschaft bekannte "Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs" - lehren uns, dass Leistung nicht unendlich steigerbar ist. Vor diesem Hintergrund müsste der so verstandesbeschenkte Mensch für seine Spezies eigentlich eine gute Lösung finden können.

In der Schule wird aber leider seit Jahrzehnten gelehrt, dass in der Natur das darwinistische Prinzip des "survival of the fittest" gelten würde. Dann lassen wir die Sache doch einfach laufen!
Was soll dieses mitleidige Gesülze über Rücksichtnahme auf die schwachen Arbeitnehmer?!? Wer nicht "fit" genug ist und der steigenden Arbeitsbelastung nicht gewachsen ist, der muss dann eben weg! So einfach ist das. Das nennt man "natürliche Auslese".
Wieso leben wir denn nicht endlich einmal das konsequent aus, was uns so nachhaltig eingebimst wurde? Das kann ich nicht begreifen...

Dr. Richard Barabasch 16.03.201516:12 Uhr

Mir bislang unbekannt

Dass die Bertelsmann-Statistiker die Krankenkassenpflichtversicherte betreuenden Vertragsärzt-Innen untersucht haben, kann ich dem Bericht nicht entnehmen - die aber müssen doch gemeint sein mit den "Beschäftigten", die ihre Gesundheit durch übermässiges Arbeiten in Gefahr bringen, denn einen Krankenakssenpflichtversiocherten-In, die selbstausbeutend zur Arbeit geht - nein, das habe ich bislang nicht erlebt. Und bei Bertelsmann finde ich keine geografischen Angaben zu dieser Spezies,
meint
R.B.

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