"Schmerzfreie Stadt"

Münster ist Vorbild in der Schmerztherapie

Fünf Jahre lang hat das Aktionsbündnis "Schmerzfreie Stadt Münster" versucht, die Versorgung der Patienten zu verbessern - mit Erfolg.

Anne-Christin GrögerVon Anne-Christin Gröger Veröffentlicht:

MÜNSTER. Die Versorgung von Schmerzpatienten in Deutschland ist noch lange nicht zufriedenstellend. Allerdings haben die Beteiligten des Aktionsbündnisses "Schmerzfreie Stadt Münster" einen großen Beitrag geleistet, um die Situation zu verbessern.

Zu diesem Schluss kommt der Projektleiter des Aktionsbündnisses Professor Jürgen Osterbrink anlässlich des Projektabschlusses.

Osterbrink ist Pflegewissenschaftler an der Paracelsus-Universität in Salzburg. "Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die Versorgung, wie sie derzeit vielerorts besteht, nicht ausreichend ist", sagte er der "Ärzte Zeitung".

"Es ist uns aber gelungen, mit dem Aktionsbündnis viele Verbesserungen zu erreichen, sodass die Weltgesundheitsorganisation unser Modell anderen europäischen Staaten als Vorbild empfehlen wird."

Vermeidung von "Ärzte Hopping"

Das Aktionsbündnis "Schmerzfreie Stadt Münster" war vor fünf Jahren gestartet. Ziel war, die Versorgungsstrukturen von Schmerzpatienten zu erforschen, um ein interdisziplinäres Schmerzmanagement zu etablieren, Schmerzpatienten schnittstellenübergreifend zu versorgen und "Ärzte Hopping" zu vermeiden.

In das Projekt einbezogen waren sechs MünsteranerKliniken, Einrichtungen der stationären Altenhilfe und ambulante Pflegedienste sowie Hospize und Schmerzpraxen. In den teilnehmenden Einrichtungen wurde der Ist-Zustand erhoben und evaluiert. Auf dieser Basis entwickelte ein interprofessionelles Team aus Ärzten, Pflegeexperten und Wissenschaftlern Verbesserungsvorschläge.

"Von zentraler Bedeutung ist die Kommunikation zwischen Ärzten, Patienten und Pflegenden", sagte Osterbrink. Viele Mediziner hätten vor Projektstart beispielsweise kaum Erkenntnisse zur Schmerzsituation von Demenzpatienten gehabt. Licht ins Dunkel brachte unter anderem ein Film, in dem Kameraleute wochenlang demente Menschen in ihren Pflegeeinrichtungen begleiteten.

"Es ist hier gelungen, Bewegungsmuster bei ärztlichen oder pflegerischen Handlungen abzubilden", berichtete der Pflegewissenschaftler. "Grimassieren oder das Halten von schmerzenden Körperteilen konnten einen Hinweis geben, ob und wo der Patient regelmäßig Schmerzen hat."

Neben der Beobachtung von Bewegungsmustern konnten die Wissenschaftler ein standardisiertes Verfahren etablieren, mit dem Ärzte und Pflegepersonal die Stärke der Schmerzen beurteilen und kategorisieren können. "Vor unserem Projekt hat dieses Instrument von 80 Hausärzten keiner genutzt", berichtete Osterbrink. "Heute wird es regelmäßig im Alltag eingesetzt."

Entwicklung einer "Pain App"

Als zwei besonders erfolgreiche Projekte nannte er zum einen das Weiterbildungsangebot für Pflegekräfte zur auf Schmerzmessung und -medikation spezialisierten "Pain Nurse". Zum anderen ist Osterbrink auf die Entwicklung einer "Pain App" stolz, mit der Schmerzpatienten ihre Beschwerden zu Hause digital dokumentieren und elektronisch an Arzt, Therapeut oder Pflegekraft übermitteln können.

Hierfür bekommen Schmerzpatienten einen Tablet-PC zur Verfügung gestellt, über den sie Informationen direkt an den Hausarzt schicken können. Besonders im ländlichen Bereich, wo lange Anfahrtswege zum Arzt anfallen, kann dieses telemedizinische Angebot helfen, mit dem Hausarzt in Kontakt zu bleiben, ohne ständig in die Praxis fahren zu müssen.

Die Weiterbildung zur "Pain Nurse" haben in Münster inzwischen mehr als 100 Pflegekräfte absolviert, so Osterbrink. Sie dienen als Schnittstelle zwischen Hausarzt, Therapeut und der Pflegeeinrichtung, in der sich der Patient aufhält.

Während in den Kliniken Patienten mit akuten Schmerzen nach Operationen untersucht wurden, ging es in den Altenheimen sowohl um chronische als auch um akute Schmerzen. In den ambulanten Pflegediensten und den Hospizen stand vor allem der Tumorschmerz im Fokus.

Als Herausforderung für die Zukunft sieht Osterbrink vor allem die Erforschung des chronischen Schmerzes im ambulanten Bereich. "Der Tumorschmerz ist durch das weite Palliativnetz sehr gut abgedeckt, bei der Behandlung von chronischen nicht malignen Schmerzen besteht dagegen noch Forschungsbedarf."

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Zervixkarzinom

DKG-Expertin Hasenburg: „Die HPV-Prävention muss in der Schule beginnen“

Kooperation | In Kooperation mit: AOK-Bundesverband

Vermeidung von Gebärmutterhalskrebs

Aktuelle Analyse: Deutliche Hinweise auf Nutzen der HPV-Impfung

Kooperation | In Kooperation mit: AOK-Bundesverband
Das könnte Sie auch interessieren
Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Anteil der PMR-Patientinnen und -Patienten mit anhaltender Remission (primärer Endpunkt)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [3]

Erstes steroidsparendes Biologikum bei Polymyalgia rheumatica

Sarilumab schließt eine therapeutische Lücke

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt a. M.
Abb. 1: Veränderung der Krankheitsaktivität, gemessen mittels Simple Disease Activity Index (SDAI) zwischen Baseline und Woche 16

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [3]

Ernährung bei rheumatoider Arthritis

Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke soll Nährstofflücken schließen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Dr. Schär Deutschland GmbH, Ebsdorfergrund
JAK-Inhibitor: Zulassungserweiterung bei Jugendlichen mit AD

© Cunaplus_M.Faba / Getty Images / iStock

Atopische Dermatitis

JAK-Inhibitor: Zulassungserweiterung bei Jugendlichen mit AD

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: AbbVie GmbH und Co. KG, Wiesbaden
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Nachgefragt bei Kammern und KVen

Dass Behandlungen abgelehnt werden, kommt selten vor

Zwei Phase-III-Studien gescheitert

Semaglutid wirkt nicht gegen Alzheimer

Lesetipps
Fünf Menschen im Wartezimmer.

© Tyler Olson / stock.adobe.com

Einteilung in fünf Gruppen

Diabetes: Risiken für Komorbiditäten vom Subtyp abhängig