Milliardenersparnis?

Raucher-Studie bringt Kassen zur Weißglut

Raucher entlasten durch ein frühes Ableben das Gemeinwesen - so eine Karlsruher Studie. Krankenkassen sind über die Auslegung dieser Ergebnisse verärgert.

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KARLSRUHE. Die Raucher in Deutschland entlasten laut einer Studie Sozialkassen und Steuerzahler in Deutschland unter dem Strich um hohe Milliardenbeträge. Das haben die Forscher Berthold Wigger und Florian Steidl vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) errechnet.

Vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) kommt jedoch scharfe Kritik: Er bestreitet vehement einen wirtschaftlichen Nutzen der Raucher für das Allgemeinwohl.

Tote Raucher kriegen keine Rente

Wigger und Steidl weisen darauf hin, dass Raucher ungefähr fünf Jahre früher als Nichtraucher sterben und entsprechend keine Altersrenten und Ruhegehälter mehr beziehen. Der Effekt ist nach Angaben der Studie finanziell weitaus stärker als Mehrkosten durch zusätzliche medizinische Behandlung oder frühzeitiges Ausscheiden von Rauchern aus dem Erwerbsleben.

Der Sprecher des GKV-Spitzenverbands, Florian Lanz, sagte dazu: "Das häufig relativ frühe Sterben von Menschen aufgrund ihrer Nikotinsucht ist ein Drama, und ich finde es befremdlich, daraus einen wirtschaftlichen Nutzen für eine Gesellschaft zu errechnen." Die Kassen unterstützten gezielt Personen bei der Rauchentwöhnung, "weil es uns um deren Gesundheit geht und nicht wegen eventueller langfristiger Vor- oder Nachteile für die Sozialkassen".

Der Finanzwirtschaftsprofessor Wigger sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wir haben zum ersten Mal die Nettokosten des Rauchens in Deutschland untersucht." Dabei ging es nur um jene Kosten, die von der Allgemeinheit zu tragen sind. Manche Kosten trägt der Raucher oder die Raucherin selbst; so haben Raucher zum Beispiel ein niedrigeres Einkommen als Nichtraucher.

Andere Studien kommen zu anderen Resultaten

In einer Modellrechnung zwischen einer theoretisch nichtrauchenden und der realen Gesellschaft berechneten die Forscher die Mehrkosten und Ersparnissen für die Gesellschaft. Ergebnis: Die reale Gesellschaft ist um 36,4 Milliarden Euro günstiger für alle. In ihr rauchen 30 Prozent der Männer und 21 Prozent der Frauen.

Andere Forscher sind zu anderen Ergebnissen gekommen und beziffern die jährlichen Kosten des Rauchens in Deutschland teils auf 30 bis 35 Milliarden Euro, teils bis zu 90 Milliarden Euro. Dem stünden lediglich Einnahmen von 14 Milliarden Euro aus der Tabaksteuer gegenüber. (dpa)

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Kommentare
PD Dr. Ulrich Schuler 06.09.201521:49 Uhr

... Modell sowieso überholt

...da die Kosten für die Therapie der Bronchialkarzinome gerade exorbitant (neue Checkpoint-Inhibitoren und TKIs) steigen.

Heidemarie Heubach 03.09.201514:31 Uhr

Toll: wer früher stirbt, ist gut für die Gesellschaft ?

Ob wohl nur die Raucher mit dieser Botschaft gemeint sind ? - siehe Beitrag "konkrete Fragen" von Dr.Fischer!
Oder soll hier einmal mehr vorbereitet werden, wie die kostenträchtigen "Altenberge" abzubauen sind ? - technologisch, wie bereits 2010 vorgeschlagen auf einer pharmaziegesponserten Tagung auf Usedom : Pflegenotstand, massenhaft Demente in den Heimen und Organmangel für Transplatationen zusammen lösen (dafür wurde ja eigens bereits das Programm "old-for-old" entwickelt!).
Dürfen wir uns also "freuen" auf diese schöne neue Welt, in der dann geordnet sozialverträgliches Ableben - mithilfe von Ärzten (?) - organisiert wird ?

Dr. Thomas Georg Schätzler 03.09.201513:54 Uhr

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) rafft es nicht?

Wer kann noch den Spitzenverband (SpiBu) der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und seinen Sprecher, Florian Lanz, verstehen?

Einerseits fordert der SpiBu, im besonders bevölkerungsreichen Bundesland NRW angeblich unwirtschaftlich arbeitende Krankenhäuser aus rein betriebs- und volkswirtschaftlichen Gründen zu schließen. Mit dem völlig unlogischen Argument, die Wege zwischen konkurrierenden Kliniken seien doch sehr kurz, die Versorgungssicherheit sei nicht gefährdet und eine fiktiv angenommene hohe Versorgungsdichte bei zugleich am dichtesten besiedelter Fläche (NRW hat weit über 17 Millionen Einwohner) sei entbehrlich (O-Ton: Vizechef des GKV-Spitzenverbands, Dr. Johann-Magnus von Stackelberg).

Kommt dann allerdings eine volks- und finanz-wirtschaftlich orientierte Karlsruher Studie zu dem wissenschaftlich begründeten Ergebnis, dass Raucher in Deutschland Sozialkassen und Steuerzahler in Deutschland unter dem Strich um hohe Milliardenbeträge entlasten, ist dies dem SpiBu auch nicht recht.

Fakt ist aber auch, dass SpiBu und s ä m t l i c h e GKV-Kassen - wie im übrigen die PKV - sich nicht im Geringsten um angemessen honorierte, ambulante, hausärztliche Beratungs-, Entwöhnungs-, Sucht- und Abhängigkeitsberatung scheren. Im Gegenteil: Extra finanzierte Netze von Ernährungsberatern, Suchttherapeuten, Sport- und Fitnesseinrichtungen werden mit großem Aufwand und kleinem Wirkungsgrad aufgebaut, um mal wieder "den Ärzten" eins auszuwischen. W i r sind diejenigen, die kurze Wege und niedrigschwellige Beratungsangebote garantieren. So sieht''s aus!

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Rainer Holzke 03.09.201513:11 Uhr

Interessante Untersuchung, plausibel und beachtenswert

Die Untersuchung ist plausibel und beachtenswert.

Überlege bereits, was Herr Schäuble wohl gedanklich antreibt...

Also: Weg mit den hässlichen Zigarettenverpackungsaufdrucken, dafür neu: Rauchen fördert die Gesundheit des Sozialsystems! Heute schon geraucht?

Sicher ein Raucher, der Herr Lanz, und was seine Aussage betrifft, er ist halt ein Sprecher, also ist das wirklich relevant was er zu dieser Studie zu sprechen hat?

(der Also: Kommentar ist durchaus ironisch gemeint, schreibe als Nichtraucher und Alkoholabstinenzler - wann folgt die Alkohol Endzeit-Studie?)

Dr. Henning Fischer 03.09.201512:01 Uhr

konkrete Fragen


- wie soll die Rentenversicherung bei weiter erheblich ansteigender Lebenserwartung in 20 Jahren finanziert werden?

- welches Interesse soll der Staat an immer mehr Senioren haben?

- welches Interesse sollen die Krankensparkassen an immer mehr behandlungsbedürftigen Rentnern haben, die immer mehr kosten?

Bitte um Beantwortung

p.s.: gute Medizin und ärztliche Versorgung > steigende Lebenserwartung > sozialstaatsfeindlich



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