Interview

"Wir brauchen mehr Druck"

Nach einer Umfrage fordert jeder Zweite in Thüringen, dass die Landesregierung gegen den Ärztemangel vorgeht. Ministerin Heike Taubert (SPD) sieht in den vom Bund geplanten finanziellen Anreizen für Landärzte Chancen, drängt zugleich aber auf mehr staatliche Steuerung.

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"Viele Menschen machen mittlerweile die Erfahrung, dass ihr Arzt in den Ruhestand geht." Heike Taubert, SPD-Gesundheitsministerin in Thüringen

"Viele Menschen machen mittlerweile die Erfahrung, dass ihr Arzt in den Ruhestand geht." Heike Taubert, SPD-Gesundheitsministerin in Thüringen

© Rainer Zensen/imago

Ärzte Zeitung: Hat Sie das Umfrageergebnis überrascht?

Taubert: Nein, denn sehr viele Menschen machen mittlerweile die Erfahrung, dass der eigene Arzt in den Ruhestand geht. Oder sie hören das von Bekannten. Es rollt ein Problem auf uns zu.

Ärzte Zeitung: Was können Sie dagegen tun?

Taubert: Wir haben bei den Hausärzten, wo es die Menschen also besonders spüren, gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung viel auf den Weg gebracht. Wir haben einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin in Jena eingerichtet und die Vernetzung der Ärzte in Weiterbildung mit Praktika verbessert, damit sie schon früh eine Bindung zur Niederlassung bekommen.

Ärzte Zeitung: Das löst noch nicht das Problem, dass kaum ein Arzt aufs Land will.

Taubert: Deshalb hat sich Thüringen für Erleichterungen auf Bundesebene eingesetzt, die leider nur teilweise im Versorgungsgesetz abgebildet sind. Für uns war wichtig, dass wir Ärzte mit finanziellen Anreizen in unterversorgte Gebiete locken können und eine Umverteilung aus überversorgten Regionen erreichen.

 Da geht die Bundesregierung jedoch nicht weit genug. Ich bin der Überzeugung, dass es nicht mehr zeitgemäß ist, dass Ärzte die Praxis und ihre Zulassung verkaufen und vererben können. Damit geht uns staatliche Steuerung verloren. Wir brauchen mehr Druck.

Ärzte Zeitung: Das Versorgungsgesetz will Landärzte besser vergüten. Das war in Thüringen aber schon vorher möglich. Hilft das Gesetz dem Land überhaupt?

Taubert: Die bessere Honorierung war bisher nur theoretisch möglich. Nämlich in Regionen, wo Unterversorgung herrscht, das heißt bei einem Versorgungsgrad unter 75 Prozent in der Arztgruppe. Diese Quote geht aber an der Realität vorbei. Unsere Forderung ist, schon ab 85 oder 90 Prozent von Unterversorgung zu sprechen.

Ärzte Zeitung: Was ist die wichtigste Stellschraube gegen den Ärztemangel?

Taubert: Wir sehen den Druck, dass stationäre und ambulante Behandlung besser verzahnt werden müssen - vor allem bei Fachärzten. Da ist die Bundesregierung in ihrem jetzigen Gesetzentwurf viel zu kurz gesprungen. Man kann das nicht dem Selbstlauf überlassen.

Es sind unterschiedliche Finanzierungstöpfe und man kann keiner Seite vorwerfen, sie tue zu wenig. Aber wenn die Selbstverwaltung an dieser Stelle am Ende ist, muss man das mit anderen Mitteln steuern.

Deshalb haben Thüringen und andere Länder angeboten, diese Steuerung zu übernehmen. Politisch ist das zwar kein Gewinnerthema. Aber es muss gemacht werden.

Die Fragen stellte Robert Büssow.

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