Zum Abschied von Ulla Schmidt gibt es Fingerfood statt kalten Kaffees

BERLIN (ble). Der Abschied ist zwar freundlich, gerät mangels Fragen der versammelten Gäste dann aber doch recht kurz: Gerade einmal 45 Minuten dauert der Termin, zu dem das Bundesgesundheitsministerium rund 30 Hauptstadtjournalisten am Montag eingeladen hatte.

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Ende einer Ära: Ex-Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt.

Ende einer Ära: Ex-Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt.

© Foto: dpa

Offiziell will Ministerin Ulla Schmidt (SPD) einen neuen Report vorstellen, der über die gesundheitliche Lage der Deutschen in Ost und West 20 Jahre nach dem Fall der Mauer berichtet. Inoffiziell sagt eine Politikerin Adieu, die bald neun Jahre an der Spitze des Gesundheitswesens stand. Länger als jede andere Kollegin und jeder andere Kollege vor ihr.

Dass dieser Abschied bitter sein muss für die inzwischen 60-jährige Politikerin, sieht man ihr nicht an. Dabei hat die Sonderschulpädagogin gerade in den vergangenen Monaten schwer einstecken müssen. Da war die peinliche Dienstwagenaffäre, die demütigende Niederlage gegen MB-Chef Rudolf Henke im eigenen Wahlkreis Aachen, der unvorstellbare Absturz der eigenen, einst stolzen Partei.

Machtlos muss Schmidt, die all das auch heute tapfer hinter einem freundlichen Dauerlächeln versteckt, jetzt also ansehen, wie Schwarze und Gelbe nun darangehen wollen, das solidarische Krankenversicherungssystem radikal umzubauen. Deren Pläne, die paritätische Finanzierung der GKV einzumotten und die steigenden Kosten allein den Arbeitnehmern aufzubürden, seien dabei ja gar nicht neu. Alles alter Kaffee also - ganz im Gegenteil zum Fingerfood, der den Journalisten heute aufgetischt wird. Vielleicht ist sie deshalb tatsächlich so entspannt, wie sie tut. Vielleicht hofft sie auf Widerstand der Bürger, wenn die neue Regierung nach den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen mit der ganzen Wahrheit ans Licht kommen werde.

Und doch hat Schmidt eine Botschaft hinter der Botschaft, dass Deutsche in Ost wie West sich heute genauso gut oder schlecht ernähren, Alkohol trinken und Zigaretten rauchen: Ohne solidarisches Gesundheitssystem wäre die Angleichung gar nicht erst möglich gewesen, sagt sie. Nur der gesamtdeutsche Risikostruktur- und Einkommensausgleich im GKV-System habe hierzu beigetragen. Die von der CSU geforderte Regionalisierung, damit mehr Geld in Bayern in bleibt, lehnt Schmidt daher kategorisch ab. Und das System zu privatisieren, um dann mit Steuern einen Sozialausgleich zu betreiben, ist für sie ideologischer Unfug.

Und dann blitzt hinter der fröhlichen Fassade doch noch einmal der Ernst der Lage auf aus Sicht Schmidts: Die Pläne der neuen Koalition, bei Arzneimitteln, Medizinprodukten oder Therapien Festzuschüsse einzuführen, seien noch viel gefährlicher als eine einseitige Beitragsbelastung der Arbeitnehmer. Damit würden die Kassen nämlich aus der Verantwortung für die Preisentwicklung entlassen, sagt sie. Schmidt nennt das "festgeschriebene Zweiklassenmedizin".

Über ihre politische Zukunft lässt Schmidt die Journalisten im Unklaren. Mit Blick auf die Regierungsjahre, das wird immerhin deutlich, ist sie mit sich im Reinen.

Am Donnerstag übergibt sie das Amt an Philipp Rösler (FDP).

Lesen Sie dazu auch: "Kein Grund für Zusatzbeiträge"

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