Prozessbeginn in Rostock

Ex-Pflegeheimchefin erneut vor Gericht – Millionenbetrug an Kassen?

Die Missstände in einer Pflegeeinrichtung in Krakow am See waren groß. Dafür wurde die Betreiberin schon verurteilt. Jetzt sitzt sie wegen mutmaßlichen Millionenbetrugs zulasten der Krankenkassen erneut vor Gericht.

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Die Angeklagte (l) im Betrugsprozess wird von einer Justizmitarbeiterin in den Saal des Landgerichts geführt. Der früheren Pflegeheim-Betreiberin wird vorgeworfen, Rechnungen über insgesamt gut 1,8 Millionen Euro an Kranken- und Pflegekassen gestellt zu haben, obwohl sie ihre Einrichtung ohne verantwortliche Pflegedienstleitung betrieben hat.

Die Angeklagte (l) im Betrugsprozess wird von einer Justizmitarbeiterin in den Saal des Landgerichts geführt. Der früheren Pflegeheim-Betreiberin wird vorgeworfen, Rechnungen über insgesamt gut 1,8 Millionen Euro an Kranken- und Pflegekassen gestellt zu haben, obwohl sie ihre Einrichtung ohne verantwortliche Pflegedienstleitung betrieben hat.

© Bernd Wüstneck/dpa

Rostock. Im dritten Anlauf hat vor dem Landgericht Rostock der Prozess gegen eine 37-jährige frühere Pflegeheimchefin begonnen. Sie soll als Geschäftsführerin jahrelang von Kranken- und Pflegekassen unberechtigt Geld für Leistungen in einer Einrichtung in Krakow am See (Kreis Rostock) abgerechnet haben. Es geht um etwa 1400 Rechnungen über insgesamt rund 1,8 Millionen Euro, die fast vollständig ausgezahlt wurden. Allerdings war laut Anklage anders als vorgeschrieben keine verantwortliche Pflegedienstleiterin sozialversicherungspflichtig angestellt. Es geht um den Tatzeitraum zwischen Mai 2013 und Oktober 2015.

Den Kassen – in diesem Fall der für Vertrag und Zulassung zuständigen AOK Nordost – waren Zweifel gekommen, ob eine als Pflegedienstleiterin angegebene Fachkraft wirklich einen entsprechenden Arbeitsvertrag hatte. Recherchen der AOK beim Finanzamt und Rentenversicherungsträger ergaben, dass die Person nur stundenweise und als Honorarkraft, quasi im Nebenerwerb, im Einsatz war, während sie hauptberuflich sozialversicherungspflichtig beschäftigt in einem Sanitätshaus in Güstrow arbeitete. Die Angeklagte habe gewusst, dass sie damit nicht berechtigt war, die Leistungen in Rechnung zu stellen, so der Staatsanwalt.

„Fass ohne Boden“

Einen tiefen Einblick in Verwaltungsabläufe, Prüfprozesse und geltende Vorgaben für Zulassungen im Pflegebereich gab die erste Zeugin von der AOK Nordost, die damals als Vermittlerin für die Krankenkasse tätig war. Sie berichtete von zahlreichen Beschwerden wegen materieller, personeller und qualitativer Missstände gegen den damaligen Pflegedienst der Angeklagten. „Ich dachte, das ist ein Fass ohne Boden“, sagte die Sozialrechts- und Pflegeexpertin, die auch Krankenschwester ist.

Die Beschwerden kamen 2013 und 2014 von Mitarbeitern der Einrichtung, von Versicherten, die dort gepflegt wurden, oder auch von anonymen Absendern. Es ging dabei unter anderem um unsachgemäßen Umgang mit Medikamenten, den Einsatz von nicht qualifiziertem Personal für bestimmte Tätigkeiten und um die Fälschung von Unterschriften und Unterlagen. Es gab zwei sogenannte anlassbezogene Prüfungstermine des Medizinischen Dienstes. Letztlich erfolgte seitens der AOK Nordost 2015 die fristlose Kündigung aller Verträge.

Bereits zu vier Jahren Haft verurteilt

Die Angeklagte machte am Donnerstag nur Angaben zu ihrem Geburtstag und Geburtsort. Aktuell wolle ihre Mandantin von ihrem Recht auf Zeugnisverweigerung Gebrauch machen, sagte Rechtsanwältin Ria Halbritter. Die ersten beiden Auftakttermine am 4. und 16. Mai waren abgesagt worden, weil die Angeklagte sich kurzfristig krank meldete. Daraufhin wurde sie vergangene Woche per Haftbefehl festgenommen und aus der Untersuchungshaft mit Fußfesseln in den Gerichtssaal geführt.

Das Landgericht Rostock hatte die Frau im Juni 2022 zu vier Jahren Haft wegen Freiheitsberaubung, Misshandlung Schutzbefohlener und Betrugs verurteilt. Das Urteil ist seit März dieses Jahres rechtskräftig. Senioren waren dem Landgericht zufolge in den 2016 geschlossenen Einrichtungen aus Gewinnsucht unter menschenverachtenden Bedingungen untergebracht. (dpa)

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