Wahl-Nachlese Japan

Folgt die Börsenrallye auf Abes Wahl?

Japans Regierung will die Konjunktur massiv ankurbeln - das treibt die Aktienkurse. Doch viele Experten sind skeptisch, ob die Anstiege lange anhalten.

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Japans neuer Premierminister Shinzo Abe in der Mitte.

Japans neuer Premierminister Shinzo Abe in der Mitte.

© Franck Robichon / epa / dpa

NEU-ISENBURG. Mit milliardenschweren Konjunkturprogrammen will Japans neue Regierung die Wirtschaft des rezessionsgeplagten Landes wieder auf Fahrt bringen. An der Börse wird der neue politische Kurs gefeiert - doch nicht alle Experten glauben, dass die Rallye anhalten wird.

Um rund 20 Prozent ist der wichtigste japanische Börsenindex Nikkei 225 gestiegen, seit sich der Sieg der Liberaldemokratischen Partei (LDP) bei der Parlamentswahl abzuzeichnen begann.

Seit der neue Ministerpräsident Shinzo Abe kurz vor dem Jahreswechsel das Amt antrat, legten die Aktienkurse noch einmal ein paar Prozentpunkte zu. Viele Strategen japanischer Banken meinen, dass das Kursfeuerwerk weitergehen wird.

"Bis Ende 2013 kann der Nikkei auf 12.000 Punkte steigen", prognostiziert das Geldhaus Nomura in seinem Jahresausblick. Das wäre ein Plus von mehr als 16 Prozent.

Getrieben wird die Hoffnung von den gigantischen Konjunkturprogrammen, mit denen Abe und seine Partei die fernöstliche Wirtschaftsnation aus der seit nun 23 Jahren währenden Deflationsspirale reißen wollen.

Seit die Spekulationsblasen an den Immobilien- und Aktienmärkten Nippons 1989 geplatzt sind, schrumpft die Binnenkonjunktur. Verbraucher schieben Käufe immer wieder auf, weil die Preise der Waren von Jahr zu Jahr fallen. Das hat an der Börse tiefe Narben hinterlassen. Seit 1989 ist der Nikkei um 75 Prozent gefallen.

Nur die starken Exporte halten die Wirtschaft bislang am Laufen. Automobile, Pharmaprodukte und Unterhaltungselektronik dominieren die Palette der Ausfuhrgüter. Allerdings haben die Rezessionen in Europa und den USA nach den Ausbrüchen von Finanz- und Eurokrise gezeigt, wie gefährlich die Abhängigkeit des Landes vom Export ist.

Talfahrt statt Rallye?

Weil der Absatz in Südeuropa einbrach, schrumpfte Japans Wirtschaft im dritten Quartal 2012 um 0,9 Prozent. Abe will deshalb nun die Binnenkonjunktur stärken, um das Land unabhängiger vom Auslandsgeschehen zu machen.

Shuichi Obata, Volkswirt bei Nomura Securities, ist zuversichtlich, dass der Plan aufgeht: "Japans Wirtschaft dürfte die Talsohle bereits Ende 2012 durchschritten haben."

Die Konjunkturprogramme werde rasch für solides Binnenwachstum sorgen. Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Bremer Landesbank, prognostiziert Japan für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,5 bis zwei Prozent.

Hingegen meinen die Ökonomen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), dass die Wirtschaft im fernöstlichen Inselstaat dieses Jahr nur verhalten anziehen wird - mit einer Jahresrate von lediglich 0,8 Prozent.

Martin Schulz, Volkswirt beim Fujitsu Research Institute, geht ebenfalls davon aus, dass Tokio die Konjunktur nur in geringem Umfang ankurbeln kann. Dennoch sieht Schulz gute Argumente für einen weiteren Kursanstieg bei japanischen Aktien: Zum einen werde die vom Regierungswechsel ausgelöste Euphorie noch einige Monate anhalten.

Darüber hinaus sprächen auch fundamentale Faktoren für Nippon-Papiere: "Viele Unternehmen werden derzeit an der Börse unter ihrem Buchwert gehandelt", sagt Schulz.

Skeptischer ist hingegen Sayuri Shirai, Mitglied im Entscheidungsgremium der japanischen Notenbank. "2013 überwiegen noch die Risiken für die Wirtschaft unseres Landes." Es sei fraglich, ob die Binnennachfrage ausreichend stimuliert werden könne, um den Preisverfall zu stoppen.

Erst 2015 sei ein Ende der Deflation und ein moderater Anstieg der Verbraucherpreise von einem Prozent zu erwarten. Trifft die Prognose zu, könnte die Börsenrallye schon in wenigen Monaten enden - und die Kurse wieder auf Talfahrt gehen. (hai)

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