Kommunikation

Schlüssel für den Therapieerfolg

Dem Patientengespräch kommt eine zentrale Rolle zu. Und das nicht nur, wenn es um Adhärenz geht. Auch das Arzt-Patientenverhältnis profitiert von guter Kommunikation.

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BERLIN. Gesundheitswissen steht bei den Deutschen offensichtlich nicht hoch im Kurs. Nur jeder Vierte weiß, dass der Ruhepuls zwischen 60 und 80 liegt, jeder Zweite hält eine Temperatur von unter 38,5 Grad für Fieber.

Selbst jene, die bereits erkrankt sind, kennen sich mit ihrem Leiden nicht aus: 72 Prozent der Diabetiker wissen nicht, was in ihrem Körper aufgrund der Erkrankung geschieht.

Die Zahlen stammen aus dem Gesundheitsreport des Arzneimittelherstellers Stada. Ende 2015 war die Studie, für die 2000 Deutsche zwischen 18 und 70 Jahren befragt worden waren, veröffentlicht worden.

Entscheidend mitgewirkt hat daran unter anderen Dr. Johannes Wimmer, Arzt, Buchautor und jüngst Referent beim 11. Kongress für Gesundheitsnetzwerker in Berlin.

"Medizinerklärer" auf vielen Kanälen

Da es um "die Kraft der Kommunikation" - so der Titel der Veranstaltung - nicht gut bestellt ist, arbeitet Wimmer als "Medizinerklärer" auf vielen Online-Plattformen.

In kurzen Video-Clips vermittelt er so anschaulich und einfach wie möglich komplexe Krankheitsbilder und Behandlungsmethoden - vom Abszess bis hin zum Zungenbrennen. Sein fernes Ziel ist es: "Arzt und Patient sollten sich auf Augenhöhe begegnen und kommunizieren können."

Ein Video, auch wenn es nur "stumpfen Content" bietet, hält Wimmer für "ungemein wichtig", um das Gesundheitswissen in der Bevölkerung zu steigern. Ins Medizin-Erklären hat er sich tief eingearbeitet und sich sogar bei TV-Shopping-Kanälen casten lassen.

Jetzt ist er ein Profi: "Ich bin mir sicher, dass ich jeden Patienten zu meiner Entscheidung bringen kann", sagte er beim Kongress.

Ob allein die Information das Entscheidende ist, bezweifeln andere Experten. Professor Manfred Schedlowski vom Universitätsklinikum Essen warnte in Berlin davor, den "Patienten mit Informationen zuzuschütten". Denn eine gute Kommunikation löst oft sehr viel mehr aus als die bloße Einsicht in die Therapie.

"Aus der Placebo-Forschung wissen wir, dass die Kommunikation ein neurobiologisches Korrelat hat, das sich entsprechend im Gehirn abbildet", sagte Schedlowski.

Zum Beispiel sei in Studien belegt worden, dass eine Injektion, die vom Arzt erklärt und begleitet wird, mehr als doppelt so effektvoll ist wie eine Injektion, die nur über eine Apparatur verabreicht wird. Ähnliche Ergebnisse finden sich auch in der Schmerzforschung.

Demnach schlagen Medikamente eher an, wenn ein Arzt die positive Erwartung des Patienten bestärkt. "Die unterschiedlichen Haltungen, die sich in den Worten vermitteln, beeinflussen unterschiedliche Hirnareale und steuern darüber das Schmerzempfinden", erläutert der Psychologe.

Kommunikation besteht - wenn sie wirkungsvoll ist - zu 30 Prozent aus Fakten und zu 70 Prozent aus Emotion. Darauf verwies Professor Christoph Fasel, Direktor des Instituts für Verbraucherjournalismus in Tübingen. Weder für das eine noch für das andere gibt es in der ärztlichen Praxis jedoch ausreichend Zeit.

Nur 7,6 Minuten sprechen Ärzte im Durchschnitt mit ihren Patienten. Kommt der Patient dabei zu Wort, unterbricht ihn der Arzt in der Regel bereits nach 18 Sekunden. Und das, obwohl eine gute Kommunikation, so Fasel, mitentscheidend dafür ist, wie sehr der Betroffene das ärztliche Handeln versteht und in die Therapie vertraut.

Verständnis für Patienten gefragt

Der Arzt soll dabei vor allem anschaulich formulieren - möglichst ohne jegliches "Fachchinesisch", "Bürokratendeutsch" und "verhüllende Umschreibungen".

Auch sollte er potenzielle Sprach- und Bildungsbarrieren sowie Unsicherheiten aus dem Weg räumen und den Ängsten des Patienten mit Verständnis begegnen. Keine leichte Aufgabe, denn, so Fasel: "Es gibt sehr viele Möglichkeiten, nicht verstanden zu werden." (wer)

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