Unis wollen bei neuen Arzneien mitverdienen

Auf dem Weg zu einem neuen Arzneimittel geht nichts ohne klinische Studie - meist werden Universitäten damit beauftragt. Doch vom Geld, das später mit dem fertigen Produkt verdient wird, sehen sie nichts. Das wollen die Hochschulen jetzt ändern - und auch eigene Patente stärker forcieren.

Von Eugenie Wulfert Veröffentlicht:
Ob Pille, Tablette oder Dragee: Für ihre Forschungserfolge bei Arzneimitteln bekommen die Hochschulen bisher selten Geld. Das soll sich ändern.

Ob Pille, Tablette oder Dragee: Für ihre Forschungserfolge bei Arzneimitteln bekommen die Hochschulen bisher selten Geld. Das soll sich ändern.

© Doug Cannell / iStockphoto.com

BERLIN. Neue Medikamente und innovative Medizintechnik bedeuten Hoffnung für Kranke. Ihre Entwicklung erfordert von den Unternehmen aber Millionen, wenn nicht gar Milliarden Euro an Forschungsgeldern.

Universitäten sind bei der Vermarktung ihrer Forschung lange Zeit leer ausgegangen. Nun wollen sie durch Großkooperationen mit Industrie und Vermarktung eigener Patente den unkontrollierten Abfluss von Rechten in die Industrie zum Nulltarif verhindern und eigene Forschung zu Geld machen.

So hat sich die Charité vor drei Jahren das Ziel gesetzt, zum Industriepartner Nummer eins in Berlin zu werden. "Wir haben in fast allen Indikationsgebieten die meisten Patienten, was für Forschung und Entwicklung von unschätzbarem Wert ist", sagte Charité-Chef Professor Karl Max Einhäupl bei den Berliner Wirtschaftsgesprächen.

Zwar arbeiten Kliniken und Pharmaunternehmen häufig am gleichen Projekt, doch nicht unbedingt gemeinsam. Üblicherweise wird eine Hochschule mit klinischen Studien beauftragt. Das Geld, das mit dem fertigen Produkt verdient wird, fließt ausschließlich in die Kassen der Hersteller.

Das will Einhäupl in Zukunft ändern: "Wenn man ein Produkt gemeinsam entwickelt, dann sollen alle Partner in einem fairen Verhältnis davon profitieren."

Gemeinsames Labor von Charité und Sanofi-Aventis

Das soll bereits bei einer Großkooperation der Charité mit dem Pharmaunternehmen Sanofi-Aventis der Fall sein. Seit fast zwei Jahren forschen Wissenschaftler der beiden Partner in einem gemeinsamen Labor an neuen Medikamenten.

"Wir können sehr gut entwickeln, in der Grundlagenforschung sind die Wissenschaftler an den Universitäten sehr gut", so Dr. Heinz Riederer, bei Sanofi-Aventis Deutschland Geschäftsführer Medizin und Gesundheitspolitik. "Gemeinsam werden sie viel mehr erreichen, als bei abgeschotteten Systemen je möglich war."

Neben Sanofi-Aventis arbeitet die Charité mit der Deutschen Telekom, SAP sowie Novartis an gemeinsamen Projekten.

Abseits solch großer Projekte wollen viele Unikliniken von dem Erfindungsreichtum ihrer Wissenschaftler profitieren. Das Patentwesen an deutschen Hochschulen ist allerdings noch jung.

Bis Februar 2002 zählten Hochschullehrer zu sogenannten freien Erfindern. Die Hochschulen besaßen keine Rechte an deren Erfindungen. Durch die Gesetzesänderung hat sich das geändert.

Deshalb versuchen nun viele Unis, ihre Wissenschaftler für das Thema Patentierung zu sensibilisieren. "Alle Universitäten leisten noch zu wenig Patentarbeit und haben in der Folge nur wenige Ausgründungen. Hier bedarf es eines Kulturwandels, auch in der Charité", sagte Einhäupl.

Die Patentierung ist aber ein hoch kompliziertes Verfahren. "Bei Veröffentlichungen wissen Wissenschaftler ganz genau, was sie tun müssen, bei Patenten stehen viele ratlos da. Da ist es notwendig, dass sie eine Anlaufstelle haben", sagte Gerrit Fleige, Kaufmännischer Leiter der Charité.

In der Charité können sich die Wissenschaftler seinen Angaben zufolge durch die Mitarbeiter des Bereichs Technologietransfer zu solchen Themen, wie Patente, Lizenzierung und Ausgründung, beraten und begleiten lassen.

Patentscouts im Einsatz

Die Universitätsklinik Eppendorf in Hamburg hat beispielsweise eine Tochtergesellschaft Medigate gegründet, um eigene Forschung besser vermarkten zu können.

Trotz aller Bemühungen ist die Zahl der angemeldeten Patente noch nicht sehr hoch. In den vergangenen Jahren hatte die Charité laut Fleige im Schnitt 50 bis 60 Erfindungsmeldungen pro Jahr. Jeweils ein Drittel davon wurde als Patent angemeldet.

Ähnlich sieht es an anderen Unikliniken aus. Deshalb setzen viele Universitäten nun auf sogenannte Patentscouts, die in den Uni-Laboren gezielt nach patentfähigen Erfindungen suchen und dafür sorgen sollen, dass universitäre Innovationen häufiger geschützt werden.

Mehr zum Thema

Probleme mit Keimen

Kritik an Bremer Klinikum wegen Reinigungsmängeln

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Weniger Rezidive

Hustenstiller lindert Agitation bei Alzheimer

Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“

KBV-Chef Dr. Andreas Gassen forderte am Mittwoch beim Gesundheitskongress des Westens unter anderem, die dringend notwendige Entbudgetierung der niedergelassenen Haus- und Fachärzte müsse von einer „intelligenten“ Gebührenordnung flankiert werden.

© WISO/Schmidt-Dominé

Gesundheitskongress des Westens

KBV-Chef Gassen fordert: Vergütungsreform muss die Patienten einbeziehen