Ein Patient wird für eine Untersuchung mit einem Computertomografen vorbereitet.

Ein Patient wird für eine Untersuchung mit einem Computertomografen vorbereitet.

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Wie durch einen virtuellen Tunnel bewegt sich der Arzt am Bildschirm seines Computers durch die Herzkranzgefäße eines Patienten, der ein paar Tage zuvor wegen Herzbeschwerden zu seinem Hausarzt gekommen war.

Von Philipp Grätzel von Grätz

In der linken Koronararterie finden sich keine Auffälligkeiten, keinerlei Verkalkungen. Auch die rechte Koronararterie ist unauffällig, fast wie bei einem Kind. Was auch immer die Beschwerden des Patienten vor ein paar Tagen verursacht hat: Eine Verkalkung der Herzkranzgefäße, eine koronare Herzerkrankung (KHK), war es jedenfalls nicht.

Es ist noch nicht lange her, da mussten Kardiologen eine Herzkatheter-Untersuchung machen, um eine solche Aussage definitiv treffen zu können. Heute ist das zumindest bei einem Teil der Patienten nicht mehr nötig, sagt Professor Georg Sabin vom St. Elisabeth-Krankenhaus in Essen. Auf der Medica in Düsseldorf, der weltgrößten Medizinmesse mit angeschlossenem Kongress, stellt der Kardiologe heute beim Seminar "Update Kardiale Bildgebung" dazu neue Entwicklungen vor.

Moderne nicht-invasive bildgebende Verfahren, die Computertomografie und die Kernspintomografie (MRT), drängen sich zunehmend auch am Herzen in den Vordergrund. Dass das Herz nicht ruhig im Brustkorb schlummert, sondern ohne Unterlass schlägt, hat den Einsatz dieser Techniken bei der Herzdiagnostik lange schwierig gemacht. Moderne Geräte und moderne Software kriegen dieses Problem mittlerweile jedoch weitgehend in den Griff.

Diagnostischer Nutzen hängt vom Konzept ab

Das heißt aber nicht, dass jeder Patient mit verdächtigen Beschwerden im Brustkorb erst einmal eine Computertomografie oder eine Kernspinuntersuchung bekommen sollte, weil die nicht weh tut und rasch alle Informationen liefert, die nötig sind. So einfach ist es dann doch nicht. "Wichtig ist, dass Ärzte an die Herzdiagnostik mit einem Konzept herangehen", betont Sabin. Denn nur dann ziehen die Patienten den optimalen Nutzen aus den neuen diagnostischen Möglichkeiten. "Wenn wir die Verfahren, die zur Verfügung stehen, sinnvoll aufeinander abstimmen, erreichen wir heute bei der nicht-invasiven KHK-Diagnostik eine Sensitivität von 95 bis 97 Prozent und eine Spezifität von 92 bis 95 Prozent", betont Sabin.

Für die Praxis heißt das: Patienten mit unklaren Beschwerden im Brustraum, die keinen akuten Herzinfarkt haben, sollten bei der kardiologischen Abklärung zunächst einmal ein EKG, eine Belastungsuntersuchung auf dem Fahrradergometer und gegebenenfalls eine Ultraschalluntersuchung erhalten, wie das schon seit Jahrzehnten Standard ist. "Es gibt dann drei Gruppen von Patienten, bei denen wir jeweils unterschiedliche diagnostische Verfahren einsetzen", betont Dr. Oliver Bruder. Der Leiter des Essener Zentrums für Präventions-Medizin und kardiologischer Oberarzt am St. Elisabeth-Krankenhaus wird ebenfalls auf der Medica über kardiale Bildgebung berichten.

Da ist zunächst einmal die Gruppe der Patienten mit hohem Risiko für eine koronare Herzerkrankung. "Hier sollte bei typischen Beschwerden in jedem Fall ein Herzkatheter gemacht werden", so Bruder. Untersuchungen mit Computertomografie oder MRT sind dann nicht nötig.

Als Beispiel nennt Bruder den 55-jährigen Mann mit lastabhängigen Brustbeschwerden, aber unauffälligem Belastungs-EKG: "Die Wahrscheinlichkeit einer KHK ist in dieser Konstellation relativ hoch, sodass der Katheter gerechtfertigt ist."

Anders sieht es aus, wenn bei einem Patienten eine koronare Herzerkrankung von vorn herein sehr unwahrscheinlich ist. "Hier kann die Computertomografie dazu eingesetzt werden, eine KHK definitiv auszuschließen", so Bruder. Die Patienten gehen dann ohne invasive Untersuchung mit der Sicherheit nach Hause, dass ihre Herzkranzgefäße in Ordnung sind: "Der 45-jährige stark verunsicherte Manager mit atypischen Brustbeschwerden zum Beispiel ist ein Patient, bei dem die CT-Diagnostik eine gute Option ist."

Eine dritte Gruppe schließlich bilden jene Patienten, die schon einmal ein koronares Ereignis hatten und die jetzt unklare Symptome haben, sowie Patienten, bei denen andere Herzerkrankungen im Raum stehen. Eine Myokarditis etwa, die mitunter als Folge einer Virusinfektion auftritt, kann ebenso wie die koronare Herzerkrankung zu Herzschmerzen, Luftnot und Herzrhythmusstörungen führen.

"Diese Patienten sind mit einer Kernspin-Untersuchung am besten versorgt", betont Bruder. Denn damit können mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Durch Einsatz des Medikaments Dobutamin können Kardiologen per Magnetresonanztomografie beobachten, wie das Herz unter Belastung arbeitet. Das erlaubt Hinweise auf mögliche Engpässe in den Herzkranzgefäßen. Im Kernspin sind aber auch Strukturveränderungen des Herzmuskels sichtbar, wie sie bei einer Entzündung oder bei anderen Herzerkrankungen, etwa einer Sarkoidose mit Herzbeteiligung, auftreten.

Plädoyer für eine enge fachliche Kooperation

Die diagnostischen Maßnahmen bei einem Patienten mit Herzbeschwerden wollen also gut überlegt sein: "Wir sagen immer: Herzdiagnostik ist Mannschaftssport", so Bruder. Alle beteiligten Fachleute - außer Kardiologen und Radiologen zählen dazu auch die Nuklearmediziner - sollten sich gemeinsam auf ein diagnostisches Vorgehen verständigen.

Am besten geht das natürlich, wenn die unterschiedlichen Methoden unter einem Dach oder zumindest in eng kooperierenden Einrichtungen angeboten werden. In Essen und anderen Regionen existieren dazu regionale Versorgungsverträge, an denen ambulante Ärzte und Kliniken beteiligt sind.

Der Effekt ist nachweisbar: In Netzen wie jenem in Essen erhalten Patienten immer seltener eine invasive Diagnostik, die unauffällig endet: "Wenn wir die zur Verfügung stehenden Methoden sinnvoll einsetzen, können wir zeigen, dass der Anteil der rein diagnostischen Herzkatheter-Untersuchungen sinkt", sagt Sabin.

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