MFA-Tag
Praxisteams als Ersthelfer
Bei einem Herzkreislaufstillstand zählt jede Sekunde. Experte Kai Langlotz appelliert an Arztpraxen, sich über Apps wie „Mobile Retter“ zu registrieren, um im Notfall vor Ort zu helfen.
Veröffentlicht:München. Im Oktober werden in Deutschland die neuen Leitlinien zum Herzkreislaufstillstand veröffentlicht. Das geschieht alle fünf Jahre, federführend verantwortlich für deren Inhalt zeichnen das European Resuscitation Council und die American Heart Association. Kai Langlotz ist staatlich geprüfter Notfallsanitäter mit langjähriger Erfahrung in einer interdisziplinären Notaufnahme sowie Berufspädagoge.
Beim MFA-Tag und ZFA-Tag des PKV Instituts in München gab er erste Einblicke in die Überarbeitung. Seine Kernaussage: Für Profis werde sich nicht allzu viel ändern, der Fokus liegt darauf, das Bewusstsein für die Laienreanimation zu stärken. Denn: Einer der wohl wichtigsten Faktoren für ein neurologisch gutes Überleben ist eine frühe und qualitativ hochwertige Reanimation.
Überbrücken bis der Rettungsdienst eintrifft
Und da können gerade auch die Teams aus Arztpraxen ins Spiel kommen, wenn sie sich über spezielle Apps registrieren, um dann als Ersthelfer an den Notfallort zu kommen und die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes zu überbrücken. Es geht dabei um Anwendungen wie „Mobile Retter“, die „Team Bayern App“, „Corhelper“, „KATRETTER“ oder auch „Meine Stadt rettet“.
„Jeder, der im medizinischen Bereich arbeitet, weiß mehr als die Masse der Gesellschaft“, sagt Langlotz. Über eine entsprechende App werde dann bei einem Notfall in unmittelbarer Nähe alarmiert. Niemand sei nach der Registrierung zum Helfen verpflichtet, aber könne unter Umständen Leben retten. Gezeigt habe sich: Das Outcome bessere sich dadurch deutlich. „Merke: Wer nicht ansprechbar ist und nicht atmet, wird reanimiert“, betont der Experte.
Schnelle Sauerstoffversorgung
Zielsetzung: Patienten möglichst gut und schnell mit Sauerstoff zu versorgen, um einen Zerfall der Hirnstrukturen zu verhindern. Erfasst wird der neurologische Zustand nach einer Reanimation mit dem so genannten CPC-Score (Cerrebral Performance Category), der in fünf Punkte eingeteilt wird. Die Eins steht für keine neurologische Schäden, die Zwei für eine nur leichte funktionelle Einschränkung. Wird ein CPC-Score von eins bis zwei erreicht, sprechen Experten von einem guten neurologischen Ergebnis nach einer Reanimation.
Der dänische Fußballspieler Christian Eriksen, der bei der Europameisterschaft 2021 kurz vor der Halbzeitpause ohne Fremdeinwirkung mit Herzstillstand zusammenbrach, trat bereits ein Jahr später wieder bei der Fußball-WM an. Warum? Weil ihn ein Ärzteteam noch direkt vor Ort reanimierte. Bei einer sehr frühen Defibrillation überleben laut Langlotz 30 Prozent der Patienten. Ohne Herz-Lungen-Wiederbelebung seien es null bis maximal zwei Prozent.
„Jeder Müllwagenfahrer hat Defi dabei“
Wie wichtig ein schnelles Handeln ist, zeigt überdies das Beispiel Seattle. Während nur fünf Prozent der Bevölkerung von New York sowie sieben Prozent der Menschen in Hollywood, die einen beobachteten Kreislaufstillstand mit Kammerflimmern erlitten, danach auf einen CPC-Score von eins bis zwei kamen, sind es in Seattle 62 Prozent. Warum? Weil in Seattle bereits Kinder in Sachen Reanimation geschult werden und es in jedem Supermarkt, auf jedem Sportplatz und in jedem Büro einen Defibrillator gibt. „Selbst jeder Müllwagenfahrer hat einen Defi dabei“, beschreibt Langlotz plakativ.
„Wir müssen die Leute früh an den Patienten bekommen. Wir müssen dahin kommen, dass jeder, der im Gesundheitssystem arbeitet, in einem entsprechenden Netz registriert ist“, sagt Langlotz – und motiviert, sich doch direkt als ganzes Praxisteam bei einer der Apps anzumelden.