Arbeitswelt 4.0

Medizinische Televisite vernetzt Klinik und Hausärzte

Die „Medizinische Televisite Rheingau“ ermöglicht nicht nur ressourcen- und zeitsparendes Arbeiten am Klinikum, sondern bietet auch Hausärzten zusätzliche Unterstützung.

Von Margarethe Urbanek Veröffentlicht:
Dr. Michael Rössler (r.) und Jens Gabriel entwickeln die Televisite stetig weiter, etwa mit dem Videovisitewagen, der am JoHo Rheingau mit über Station rollt.

Dr. Michael Rössler (r.) und Jens Gabriel entwickeln die Televisite stetig weiter, etwa mit dem Videovisitewagen, der am JoHo Rheingau mit über Station rollt.

© Margarethe Urbanek

Rüdesheim. Sektorenübergreifende Zusammenarbeit wird, mit Blick auf eine alternde, zunehmend multimorbide Gesellschaft bei gleichzeitigem Fachkräftemangel im Gesundheitswesen, immer wichtiger. Möglichkeiten der Vernetzung bietet die Digitalisierung. Das hat sich auch Dr. Michael Rössler, Chefarzt der Chirurgie am St. Josefs-Hospital Rheingau (JoHo Rheingau), zunutze gemacht. Er implementierte 2016 die „Medizinische Televisite Rheingau“ – ein Videokonferenz-System, das die sektorenübergreifende Kommunikation zwischen Klinik und niedergelassenen Ärzten verbessern soll, um möglicherweise sogar stationäre Einweisungen zu vermeiden.

Vorrangiges Ziel seinerzeit war, den medizinischen Leistungsaustausch im Klinikverbund so effizient wie möglich zu gestalten. In der Zwischenzeit hat das Videosystem auch Einzug in die ambulante Versorgung der Region gehalten. Die „Medizinische Televisite Rheingau“ vernetzt nach Angaben des Klinikleiters des JoHo Rheingau, Jens Gabriel, derzeit 39 Haus- und Facharztpraxen, zwei ambulante sowie zwei stationäre Pflegedienste.

„Das Videosystem schafft neue Organisationsformen und Möglichkeiten der medizinischen Behandlung für unsere Patienten“, erläutert Rössler. Niedergelassene Ärzte oder NäPA auf Hausbesuchen können untereinander über das System kommunizieren und bei Unsicherheiten eine Zweitmeinung einholen. Die Kontaktaufnahme erfolgt mittels iPad.

Zwei Seiten der Medaille

Eine der ersten Praxen, die sich der Medizinischen Televisite angeschlossen haben, ist die Rheingaupraxis von Dr. Ulrich Kau und Dr. Eva Rossa. Dort geht „mittlerweile keine Helferin mehr ohne iPad auf Hausbesuche“, so Kau. Den praktischen Vorteil sieht er vor allem in der Zeitersparnis, da er nicht mehr jeden Weg selbst auf sich nehmen muss.

„Vor allem bei Wundkontrollen eignet sich die Televisite. Die Bildqualität ist so gut, dass ich Wunden über das Videosystem beurteilen kann und bei Fragen sogar die Klinik als dritten im Bunde dazuschalten kann.“ Ein weiterer Vorteil sei eine bessere Patientenbindung. Sie haben nicht mehr länger das Gefühl, von ihrem Arzt nicht mehr persönlich besucht zu werden.

Der stetige Austausch zwischen den Standorten sichert die hohe Qualität der Versorgungsleistung.

Jens Gabriel, Klinikleiter des St. Josef-Hospitals Rheingau in Rüdesheim

Außerdem bleiben auch ihnen weite Wege, sei es in die Klinik oder in die Hausarztpraxis, erspart. Während das Videosystem aus der praxisinternen Kommunikation „nicht mehr wegzudenken ist“, spürt Kau in der interdisziplinären Zusammenarbeit Berührungsängste der Kollegen.

„Telemedizin ist Teil unserer Zukunft“

„Manchmal wünsche ich mir mehr telemedizinische Unterstützung, etwa bei der Beurteilung von Hautveränderungen. Aber hier stoßen wir bei Dermatologen derzeit häufig noch an unsere Grenzen.“ Kau ist sich jedoch sicher: „Telemedizin ist Teil unserer Zukunft, deswegen bin ich auch gerne Teil des Projekts.“ Getragen wird die „Medizinische Televisite Rheingau“, die 2018 am Erfolgs-Rezept Praxis-Preis teilgenommen hat, derzeit vor allem vom Idealismus und dem Engagement der teilnehmenden Personen und Einrichtungen.

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„Der stetige Austausch zwischen den Standorten sichert die hohe Qualität der Versorgungsleistung“, so Gabriel. Zudem könne das Klinikum effizienter mit zeitlichen und personellen Ressourcen umgehen, da Ärzte ortsübergreifend Laborergebnisse, MRT- oder CT-Bilder per Live-Videoschalte miteinander besprechen können.

Außerdem wird der direkte medizinische Austausch im Rheingau gefördert.Auch ärztliche Fort- und Weiterbildungen seien über das Videosystem möglich. „Die Teilnehmer profitieren davon, dass sie von überall an den Veranstaltungen teilnehmen und ganz flexibel ihre Punkte sammeln können“, beschreibt Rössler die Arbeitswelt 4.0.

Rechts im Bild: Videokonferenz mit Hausarzt Dr. Kau.

Rechts im Bild: Videokonferenz mit Hausarzt Dr. Kau.

© JoHo Rheingau

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