Reihentest wird nur erlaubt, wenn eine Therapie möglich ist

BERLIN (fst). Die Bundesregierung hält Reihen-Gentests, die gesetzliche Krankenkassen ihren Versicherten anbieten, für "grundsätzlich sinnvoll". Doch die Vorgaben für solche Reihenuntersuchungen müßten "exakt normiert" werden. Daß ein Reihen-Screening sinnvoll sein kann, hat unlängst der Modellversuch einer Krankenkasse gezeigt.

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Dem Arbeitsentwurf für ein Gendiagnostik-Gesetz läßt sich entnehmen, wie die Regierung genetische Reihenuntersuchungen regeln möchte. In Paragraph 18 heißt es dort, Reihentests seien nur erlaubt, "wenn mit der Untersuchung geklärt werden soll, ob die betroffenen Personen genetische Eigenschaften mit Bedeutung für eine Krankheit oder gesundheitliche Störung haben, deren Ausbruch bei diesen Personen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik vermeidbar ist oder die nach diesem Stand behandelbar ist".

Im Klartext: Nur wenn eine Therapieoption für die potentiellen Patienten vorhanden ist, kommt eine Reihentestung von Versicherten überhaupt in Frage. Zusätzlich schreibt der Gesetzentwurf vor, daß die neu einzurichtende Gendiagnostik-Kommission, die beim Robert-Koch-Institut angesiedelt werden soll, ein Reihen-Screening genehmigen muß.

Daß ein Reihentest sinnvoll sein kann, hat im Herbst vergangenen Jahres ein Modellvorhaben der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) gezeigt (wir berichteten). An dem Projekt nach Paragraph 63 Absatz 2 SGB V haben fast 4000 Versicherte freiwillig teilgenommen. 6000 Versicherte hatten sich zuvor Informationen von der KKH zusenden lassen.

Die 4000 Teilnehmer ließen testen, ob bei ihnen eine Disposition für die Eisenspeicherkrankheit Hämochromatose vorliegt. In Deutschland haben etwa 200 000 Menschen die Anlage für diese vererbbare Stoffwechselerkrankung. Die Betroffenen können das mit der Nahrung aufgenommene Eisen nicht normal verwerten, so daß der Eisenspiegel im Blut auf eine zu hohe Konzentration steigt. Gesundheitliche Folgen einer nicht frühzeitig erkannten Hämochromatose können Schädigungen von Leber, Bauchspeicheldrüse, Herz oder der Nieren sein.

Nach Angaben der KKH wurden Blutproben von 4000 Versicherten beim Kooperationspartner des Modellprojekts, der Medizinischen Hochschule Hannover, untersucht. Bei 67 Teilnehmern fanden Ärzte den gesuchten Gendefekt. Für die Betroffenen reicht ein prophylaktischer Aderlaß viermal im Jahr aus, um Folgeschäden zu vermeiden.

Die von der MHH ermittelten Daten wurden nur den behandelnden Ärzten und - nach einer ausführlichen Beratung - den Versicherten mitgeteilt, nicht aber der Krankenkasse. Die direkten Testkosten pro Teilnehmer betrugen zwischen elf bis 16 Euro. Insgesamt hat der Modellversuch die Krankenkasse nach eigenen Angaben 50 000 Euro gekostet.

Mit dem Modellvorhaben, sagte KKH-Vorstandschef Ingo Kailuweit anläßlich der Präsentation der Ergebnisse im vergangenen November, habe die Kasse "Fakten an die Stelle von Spekulationen über die Chancen und Gefahren von Gentests" gesetzt. Ob es sinnvoll ist, daß der Gesetzgeber den Gentest auf Hämochromatose in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen aufnimmt, läßt sich aus Sicht der KKH gegenwärtig noch nicht sagen. Dazu müsse die Kasse zusammen mit der MHH die Ergebnisse des Modellversuchs weiter auswerten. Eine Untersuchung der etwa 65 Millionen Bundesbürger über 18 Jahre würde zwischen 400 bis 500 Millionen Euro kosten, hat die KKH errechnet.

Klar ist für Kailuweit, daß der Gesetzgeber endlich das seit 2002 angekündigte Gendiagnostik-Gesetz vorlegen muß, um Rechtssicherheit für Gentests zu schaffen. Seit Oktober 2004 liegt zwar ein Arbeitsentwurf des Ministeriums vor, doch ein Referentenentwurf ist noch nicht in Sicht.

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