Sport stabilisiert die Bronchien von Asthma-Patienten

Lieber einmal eine Sportübung wiederholen und sie zeitlich ausdehnen als nach Rekorden zu schielen: Das ist ein Grundsatz, den Asthma-Kranke, die Sport machen wollen, beherzigen sollten. Körperliche Aktivität stabilisiert die Lungenkrankheit, die Schwelle für Anstrengungsasthma sinkt.

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Eigentlich ist "Asthma und Sport" ein Paradoxon, sagt Dr. Josef Lecheler, Ärztlicher Direktor des CJD Asthmazentrum Berchtesgaden. Denn die mit körperlicher Anstrengung verbundene Mehratmung führt zu einer relativen Abkühlung und Austrocknung der Atemwege, was bei den hyperreagiblen Bronchien der Asthma-Patienten verstärkt Konstriktionen provoziert.



Chlorgas ist für Hobbyschwimmer unproblematisch

Schwimmen gilt als eine für Asthmatiker besonders geeignete Sportart. Das gilt auch bei Chlorgasexposition, meint Dr. Josef Lecheler vom Asthmazentrum Berchtesgaden. Chlor werde zwar zu den inhalativen Noxen gezählt, die ein chemisch-irritatives Asthma auslösen können. Allerdings komme es dabei auf die inhalierte Menge an, so Lecheler. Für den Freizeitbereich könne diesbezüglich Entwarnung gegeben werden. Die Dosis, der ein Hobbyschwimmer ausgesetzt ist, sei zu vernachlässigen, meint Lecheler: "Wenn jemand einmal wöchentlich ins Schwimmbad geht, dann hat das keine Bedeutung." Im Vergleich zu Laufen und Radfahren ist beim Schwimmen die Wahrscheinlichkeit, ein Anstrengungsasthma zu bekommen, am geringsten.

Je weniger trainiert jemand sei, desto schneller komme er in eine Belastungssituation mit Atemnot, betont Lecheler. Mit einem angemessenen Aufbautraining lasse sich diese Abwärtsspirale aber praktisch umkehren.

Im Gegensatz zu untrainierten Asthma-Patienten können trainierte - natürlich bei angepaßter medikamentöser Therapie - in sportlichen Belastungstests praktisch ebenso gut abschneiden wie trainierte gesunde Gleichaltrige. Das gilt etwa für die körperliche Leistungsfähigkeit und die maximale Sauerstoffaufnahme.

Nachgewiesen worden ist das auch in einer Studie mit elf- bis zwölfjährigen Kindern. Dagegen wird die körperliche Leistungsdifferenz zwischen Asthmatikern und Gesunden bei dauerhafter sportlicher Untätigkeit immer größer, so ein weiteres Ergebnis der Studie.

Kinder unter zehn Jahren mit Asthma haben häufig Koordinationsdefizite, da sie wegen ihres Asthmas allzusehr geschont wurden. Sie sollten daher vor allem die Koordinationsfähigkeit trainieren, etwa durch Ballspiele, empfiehlt Lecheler.

Ausdauertraining erhöht die Atemtiefe

Jugendliche und Erwachsene sollten dagegen vor allem ihre Ausdauer steigern. Der Grund: Regelmäßiges Ausdauertraining führt zu einer erhöhten Atemtiefe und niedrigeren Atemfrequenz. So können Belastungen mit einem geringeren Aufwand an Atemarbeit geleistet werden. Und dadurch wird die Schwelle, ab der ein Anstrengungsasthma auftritt, gesenkt.

Geeignete Sportarten für Asthma-Kranke sind zum Beispiel Schwimmen, Inline-Skating, Radfahren sowie Jogging. Schwimmen in relativ warmem Wasser (27 bis 30 °C) gilt als besonders günstig für Asthmatiker, unter anderem, weil eine warme, feuchtigkeitsgesättigte Luftschicht über dem Wasser liegt und die Schwimmbewegungen besonders geeignet sind, die Atemmuskulatur zu kräftigen.

Um Asthmaanfälle während des Sports zu vermeiden, sollten die Patienten keinen Sport in kaltem Wasser, in kalter Luft oder in großen Höhen (mehr als 2000 Meter) betreiben und keine Sportarten ausüben, die kurze, starke Belastungen erfordern, warnt der niedergelassene Pneumologe Dr. Andreas Hellmann aus Augsburg (MMW-Fortschr Med 5, 2005, 79/37).

Asthma-Patienten sollten auch darauf achten, daß sie im Sommer bei hoher Ozonbelastung vorsichtig sind mit Sport im Freien. Für solche Patienten sei es besser, bereits in den frühen Morgenstunden körperlich aktiv zu sein, weil dann die Ozonbelastung geringer sei. Asthmatiker mit Pollenallergie sollten außerdem im Frühjahr besonders streng auf ihre Medikation achten und nicht in der Nähe von Pflanzen trainieren, gegen die sie allergisch sind.

Bevor Asthma-Kranke mit Sport beginnen, sollte eine gründliche Eingangsuntersuchung mit Lungenfunktionstests wie Spirometrie und Ergometrie gemacht werden, um den Grad des Anstrengungsasthmas zu ermitteln. Bewährt hat sich hierfür nach Angaben von Lecheler der standardisierte Belastungstest auf dem Laufband-Ergometer. Dieser Test sei sehr sensitiv und gut reproduzierbar.

Viermal Peak-flow messen pro Training empfohlen

Haben die Patienten dann ein Training begonnen, sollten sie zur Kontrolle der Lungenfunktion regelmäßig - vor dem Sport, nach der Aufwärmphase, nach der Belastungsphase und nach der Abklingphase - Peak-flow-Messungen vornehmen, um ihre Trainingsprogramme zu optimieren und starke Schwankungen der Lungenfunktion, etwa bei Infekten, früh zu erfassen, so der Berchtesgadener Pneumologe. Außerdem sollten sie zur Sicherheit immer ein Notfall-Spray mit einem rasch wirksamen Beta-2-Mimetikum zum Sport mitnehmen.

Durch die prophylaktische Anwendung bronchodilatativer Medikamente vor Beginn des Sports läßt sich einem Anstrengungsasthma vorbeugen. Das ist in der Regel vor allem bei Patienten notwendig, die gerade erst mit Sport begonnen haben. Besonders geeignet sind kurz wirksame Beta-2-Mimetika wie Fenoterol, Salbutamol und Terbutalin, die etwa eine Viertelstunde bis 60 Minuten vor dem Sport inhaliert werden sollten, sagt Lecheler.

Die häufige Anwendung von Beta-2-Mimetika führt aber zu einer Tachyphylaxie, weswegen sie bei regelmäßiger Anwendung mit einer antientzündlich wirkenden Substanz wie Dinitrocromoglicinsäure (DNCG) kombiniert werden sollten. Besonders bei älteren, koronarkranken Asthmatikern können durch Beta-2-Mimetika getriggerte hohe Herzfrequenzen aufgrund des dadurch gesteigerten Sauerstoffbedarfs des Herzens gefährlich werden. Welche Herzfrequenz im Einzelfall noch tolerabel ist, muß durch ein Belastungs-EKG ermittelt werden.

In der Aufbauphase sollten Asthma-Kranke mindestens dreimal pro Woche trainieren. Wichtig ist ein langsames Aufwärmen vor dem Sport mit Koordinations- und Dehnübungen für etwa 15 Minuten, empfiehlt die Arbeitsgemeinschaft Lungensport Hamburg. Der Grund: So läßt sich eine übermäßige Hyperventilation zu Beginn des Trainings verhindern und damit die Wahrscheinlichkeit für einen Asthmaanfall mindern.

Einplanen: Aufwärmphase und langsamer Ausklang!

Nach der Aufwärmphase könne als Hauptteil des Trainings zum Beispiel ein 30minütiges Ausdauertraining folgen. Hierbei sollte eine submaximale Belastungsintensität von nur 60 bis 80 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme angestrebt werden, um Asthmaanfälle zu vermeiden. 60 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme sind etwa bei Kindern und Jugendlichen bei einer Pulsfrequenz von 180 minus Lebensalter erreicht, bei Erwachsenen bei einer Pulsfrequenz von 160 minus Lebensalter.

Lecheler: "Der Ehrgeiz sollte lieber auf häufigere Wiederholungen und zeitliche Ausdehnung gerichtet werden als auf vermeintliche Rekorde im Bereich hoher Belastungsintensitäten." Wichtig sei auch ein langsamer Ausklang der sportlichen Aktivität mit Dehn- und Entspannungsübungen (etwa 15 Minuten), um der gerade auch in dieser Phase verstärkten Neigung zu Atemnotanfällen entgegenzuwirken.

"Mit Sport werden Asthmatiker nicht nur körperlich belastbarer und bekommen mehr Spaß am Leben, sie können meist auch ihre Medikation herunterfahren", so Lecheler. Das gilt nicht nur für die Medikation, bevor immer Sport gemacht wird, sondern auch für die übliche Bedarfstherapie zur Symptomkontrolle mit raschwirksamen Beta-2-Mimetika wie Fenoterol, Formoterol, Salbutamol und Terbutalin, sowie für die Dauertherapie bei persistierendem Asthma.

Neue Empfehlungen zur Medikation

Zur Dauertherapie empfehlen die Deutsche Atemwegsliga und die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie in ihrer neuen Leitlinie eine Therapie je nach Schweregrad. Patienten mit geringgradig persistierendem Asthma, wenn Symptome tagsüber, aber nicht täglich, auftreten und es öfter als zweimal im Monat nachts Symptome gibt, sollten inhalative Kortikoide (Beclometason, Budesonid, Ciclesonid, Fluticason und Mometason) niedrigdosiert erhalten. Alternativen für Kinder sind Cromone wie DNCG und Nedocromil und der Leukotrien-Antagonist Montelukast.

Besteht ein mittelgradig persistierendes Asthma, das heißt treten die Beschwerden täglich und nächtliche Symptome öfter als einmal pro Woche auf, sollten Erwachsene ein niedrig bis mittelhoch dosiertes inhalatives Kortikosteroid (ICS) plus einen langwirksamen Beta-2-Agonisten (Formoterol, Salmeterol) erhalten. Hierzu gibt es auch Fixkombinationen. Alternativ oder zusätzlich sollten sie ein ICS in hoher Dosis, Montelukast, retardiertes Theophyllin oder ein retardiertes orales Beta-2-Mimetikum bekommen. Für Kinder ist die Empfehlung ähnlich.

Bei schwergradig persistierendem Asthma werden für Erwachsene und Kinder dieselben Substanzen empfohlen wie bei den geringeren Schweregraden, aber höher dosiert und in Mehrfachkombination. Bei Bedarf kann zusätzlich ein orales Steroid verordnet werden. (ikr)

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