Lunge und Herz leiden besonders unter Feinstaub

Manche halten die ganze Debatte um die gesundheitlichen Risiken von Feinstaub für übertrieben. Andere meinen, es sei höchste Zeit geworden, das Thema auf die Agenda zu setzen. Tatsache ist, daß mittlerweile zahlreiche deutsche Städte die von der EU-Kommission gelegte Feinstaublatte von maximal 35 Tagen pro Jahr mit mehr als 50 µg Feinstaub pro Kubikmeter Luft gerissen haben. Nicht nur das: In mehreren Städten im Rheinland wurden an kritischen Tagen bereits Durchfahrtsverbote für LKW verhängt. Fahrverbote für PKW werden wohl folgen.

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Philipp Grätzel von Grätz

Doch was ist wirklich dran an der gesundheitsschädigenden Wirkung von Feinstaub? Eine ganze Menge, ist Privatdozent Dr. David Groneberg von der Charité Berlin überzeugt. Zumindest Feinststaub mit einer Partikelgröße von zwei bis drei Mikrometern erreiche regelmäßig das Alveolarepithel.

Dort stoßen die Rußpartikel wahrscheinlich eine Entzündungskaskade an, die zu einer Bronchokonstriktion und einer Verschlechterung des Sauerstoffaustauschs führt. Sekundär kommt es dann zu Herz-Kreislaufschäden, die für einen Großteil der dem Feinstaub zugeschriebenen Todesopfer verantwortlich sein dürften, in erster Linie bei Patienten mit bereits vorgeschädigter Lunge.

"Feinstaubexposition führt eindeutig zu einer Zunahme der Krankenhauseinweisungen wegen Asthma bronchiale und COPD", so Groneberg im Gespräch mit "Forschung und Praxis". Doch viel beängstigender findet der Pneumologe, daß offenbar auch gesunde Lungen Schaden nehmen - und zwar vor allem bei Kindern, bei denen die Lungenentwicklung in vollem Gange ist.

"Zwischen dem zehnten und achtzehnten Lebensjahr sollte die Lungenkapazität bei Kindern um rund zwei Liter ansteigen", erläuterte Groneberg. Eine neue Studie aus Kalifornien habe aber jetzt gezeigt, daß das nicht der Fall ist, wenn der mittlere Feinstaubgehalt in der Umgebungsluft erhöht ist (N Engl J Med 351, 2004, 1057). Untersucht wurden Kinder in insgesamt zwölf Städten mit unterschiedlich schmutziger Luft.

Tatsächlich sei es abhängig vom Luftgehalt an Feinstaub in einigen Städten zu einer statistisch signifikant geringeren Zunahme der Lungenkapazität gekommen.

Gronebergs Fazit aus dieser und anderen Untersuchungen: "Luftverschmutzung führt dazu, daß unsere Lungen nicht so groß werden, wie sie sollten". Das könne wiederum zur Folge haben, daß bei einer Lungenerkrankung im späteren Leben die Reservekapazität fehle, mit entsprechend gravierenderem Verlauf.

Neue Feinstaubverordnung des Bundesumweltministeriums

Mittlerweile hat die Bundesregierung gehandelt: Das Bundesumweltministerium hat Ende April dieses Jahres die Eckpunkte für eine von den Bundesländern geforderte Feinstaubverordnung vorgelegt. Sie sieht vor, Fahrzeuge mit Dieselmotoren je nach der Höhe ihrer Partikelemissionen in drei Gruppen zu unterteilen. Die besseren beziehungsweise besten Fahrzeuge erhalten dann von der Zulassungsbehörde gelbe beziehungsweise grüne Leuchtplaketten für die Windschutzscheibe. Mit diesen Plaketten ist die Fahrt auf Straßen erlaubt, auf denen für Rußschleudern Fahrverbote verhängt werden.

Ob diese Maßnahmen ausreichen werden, um die EU-Grenzwerte einzuhalten, ist allerdings fraglich. Wie Untersuchungen des Umweltbundesamts ergeben haben, stammen nämlich nur ungefähr 50 Prozent bis zwei Drittel des in Bodennähe gemessenen Feinstaubs aus dem Straßenverkehr. Davon wiederum kommt nur etwa die Hälfte aus dem Auspuff, der Rest sind Abrieb von Bremsen und Reifen sowie Aufwirbelungen, vor allem bei gepflasterten Straßen.

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