Im Mittelalter verdrängte die Tuberkulose die Lepra
Lepra wurde im mittelalterlichen Europa von der Tuberkulose abgelöst. Das vermuten britische Forscher nach der Untersuchung von Toten aus mehreren Jahrhunderten. Jahrhundertelang konnten die Menschen an beiden Infektionskrankheiten gleichzeitig erkranken.
Doch die weit aggressivere Tuberkulose führte schneller zum Tod und verdrängte so schließlich die nur langsam fortschreitende Lepra, berichten Dr. Helen Donoghue vom University College London und ihre Kollegen in der Fachzeitschrift "Proceedings of the Royal Society: Biological Sciences" (Online-Vorabveröffentlichung).
Die Infektiologen untersuchten einen in Tücher gehüllten Leichnam aus dem ersten Jahrhundert nach Christus. Die Überreste dieses Toten aus einer Grabkammer in der Gegend von Jerusalem wiesen sowohl Zeichen von Lepra als auch von Tuberkulose auf. Diese Entdeckung veranlaßte die Forscher, bei weiteren Toten aus dem Europa des Altertums bis zum Mittelalter nach Spuren der beiden Infektionen zu suchen.
"Wir haben es mit einem sehr verbreiteten, bisher unentdeckten Phänomen der Co-Infektion zu tun", erklärt Helen Donoghue. Die Schwächung des Immunsystems durch Lepra, verbunden mit Streß, Armut, Mangelernährung und der sozialen Isolation der Aussätzigen, hätten es der Tuberkulose besonders leicht gemacht, so daß sie zu einem schnellen Tod führte, vermuten die Wissenschaftler. "Das reduzierte die Zahl der Menschen, die an Lepra litten, und führte zu einem allgemeinen Niedergang der Krankheit in Europa", so Helen Donoghue.
Im Mittelalter war Lepra eine weit verbreitete Krankheit. Sie verschwand in Europa etwa um die gleiche Zeit, als sich die Tuberkulose mehr und mehr ausbreitete. Dieses Phänomen konnten sich Forscher bisher nicht eindeutig erklären. Es wurde beispielsweise spekuliert, daß die Infektion mit einer der beiden Krankheiten vor der Ansteckung mit der anderen schützen könnte, was Donoghue und ihre Kollegen nun jedoch widerlegen konnten. (ddp)