Leicht, aber mit vielen Windungen: das "Superhirn" des Universalgenies Gauß

Von Heidi Niemann Veröffentlicht:

2005 ist nicht nur das Einstein-Jahr, sondern auch das Gauß-Jahr. Und dieses wird vor allem an seinem jahrzehntelangen Wirkungsort in Göttingen gefeiert. Zum 150. Todestag von Carl Friedrich Gauß (1777-1855) ist jetzt eine große Ausstellung über sein Leben und sein Wirken im Alten Rathaus von Göttingen eröffnet worden.

Stadt, Universität und die Gauß-Gesellschaft haben den bedeutenden Naturwissenschaftler mit einer Kranzniederlegung auf dem Albani-Friedhof geehrt. Dort war der im Alter von fast 78 Jahren gestorbene Gauß am 26. Februar 1855 beigesetzt worden - allerdings nicht der ganze Gauß: Vorher hatten Mediziner das Hirn des Verstorbenen entnommen, präpariert und in einem Glasgefäß in einer äthanolhaltigen Lösung aufbewahrt.

Das "Superhirn" ist inzwischen mehrfach untersucht worden, doch immer noch in einwandfreiem Zustand. Heute lagert es in der Akademie für Ethik und Geschichte in der Medizin in Göttingen.

Weil Gauß einer der größten Mathematiker aller Zeiten und ähnlich wie Albert Einstein ein Universalgenie war, erregte das Hirn des großen Gelehrten das Interesse der sogenannten Elitegehirnforschung, die Mitte des 19. Jahrhunderts florierte. Auf diesem Gebiet tat sich der Göttinger Physiologe Rudolph Wagner (1805-1864) hervor.

Dieser nahm die Hirne von Gauß und anderen Göttinger Professoren unter die Lupe. Von der Schädelinnenseite wurde ein Gipsabdruck hergestellt, außerdem wurde das Gauß’sche Hirn vermessen (18,5 cm lang, 14,1 breit und 12,5 hoch) und gewogen (1492 Gramm).

Auch wenn Gauß ein intellektuelles Schwergewicht war, sein Hirn war es nicht, stellte der Physiologe fest. Im Vergleich dazu wogen die untersuchten Hirne von Göttinger Handwerkern deutlich schwerer. Beeindruckt war Wagner dagegen von den Hirnwindungen, die bei Gauß besonders ausgeprägt waren.

Nach Wagners Tod wurden die Forschungen nicht weitergeführt, das Gauß’sche Hirn mußte nur noch einige Male umziehen - um 1950 vom Institut für Physiologie in das damals neue Institutsgebäude in der Humboldtallee, dann 1977 in den Neubau des Klinikums, schließlich 1995 in das Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, wo es noch immer aufbewahrt wird.

Damit ist es dem Gauß’schen Hirn deutlich besser ergangen als dem Hirn von Albert Einstein in den USA: Dieses wurde nicht nur präpariert, ausgemessen und fotografiert, sondern auch noch in 240 kleine Blöcke zerteilt, die einzeln in Celloidin eingegossen wurden. Am Gauß’schen Hirn hat niemand herumgeschnitten, es ist unbeschädigt.

Vor sechs Jahren wurde es allerdings noch einmal, diesmal mit modernster und schonender Technik untersucht: Ende 1998 nahm eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Professor Jens Frahm von der Biomedizinischen NMR ForschungsGmbH am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen eine Magnetresonanz-Tomografie vor.

An dieser Untersuchung seines eigenen Hirns war Gauß gewissermaßen selbst beteiligt: Die magnetische Kraftflußdichte innerhalb des MR-Tomografen wird in "Gauß" angegeben, und auch eines der Hochfrequenzverfahren beruht auf Pulsen in Form der Gauß’schen Glockenfunktionen.

Die Aufnahmen zeigten, daß Gauß bis ins hohe Alter ein völlig intaktes Hirn hatte, keine Spur von Alzheimer oder anderen degenerativen Erkrankungen. Inzwischen ist es in einer Formalinlösung neu präpariert. Aufnahmen der Computeruntersuchung sind in der Gauß-Ausstellung im Alten Rathaus in Göttingen zu sehen.

Die Gauß-Ausstellung im Alten Rathaus Göttingen (Markt 9) ist noch bis zum 15. Mai, und zwar dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr, zu sehen.

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