"Vater der Blinden, Niemandskinder und Taubstummen"

Veröffentlicht:

Von Klaus Brath

Der Name "Christoffel-Blindenmission" (CBM) steht für weltweite Behandlung und Förderung Augenkranker, Hörgeschädigter und anders Behinderter.

Begründet wurde das gegenwärtig in etwa 100 Ländern mit über 1000 Entwicklungsprojekten überkonfessionell tätige Werk von Ernst Jakob Christoffel. Am 23. April jährt sich der Todestag des Pastors und langjährigen Leiters der posthum nach ihm benannten Blindenmission zum 50. Mal.

Ernst Christoffel wurde 1876 in Rheydt am Niederrhein als Sohn einer pietistisch geprägten Handwerksfamilie geboren. Nach seiner Predigerausbildung in Basel übernahm er 1904 im anatolischen Siwas gemeinsam mit seiner Schwester Hedwig die Leitung zweier armenischer Waisenhäuser eines Schweizer Hilfswerks.

Hier erlebte er das Elend der orientalischen Blinden hautnah: "Die materielle, moralische und religiöse Lage der Blinden ist furchtbar", schrieb er nach Hause. "Der größte Prozentsatz bettelt. Blinde Mädchen und Frauen verfallen vielfach der Prostitution... In der ganzen asiatischen Türkei gab es meines Wissens keinen Augenarzt."

1908 ein Heim für Blinde in Anatolien gegründet

Das Leid blinder und anders behinderter Menschen bestimmte Christoffels weiteren Lebensweg. Vergeblich versuchte Christoffel in Deutschland, etablierte kirchliche Einrichtungen für ein Blindenhilfswerk in der Türkei zu gewinnen. Deshalb reiste er 1908 auf eigene Faust wieder nach Anatolien und gründete in Malatia ein Heim für Blinde, anders Behinderte und Waisenkinder - es war der Beginn der deutschen Blindenmission im Ausland.

Christoffel leistete nicht nur blindenpädagogische Pionierarbeit - so entwarf er mit seinen Mitarbeitern die erste Blindenschrift in türkischer und armenischer Sprache nach dem Vorbild von Braille - , sondern bot im ersten Weltkrieg während der türkischen Pogrome an Armeniern auch Hunderten von Verwaisten und Verfolgten Zuflucht.

Nachdem er nach Kriegsende aus der Türkei ausgewiesen und ihm eine Blindenschulgründung im heutigen Istanbul verwehrt worden war, führte Christoffel seine behindertenpädagogische, sozial-karitative und missionarische Arbeit seit 1925 in Persien fort.

In zwei dort von ihm gegründeten Heimen wurden behinderte Menschen unabhängig von Religion und Rasse aufgenommen und gefördert. Mehr noch: Während im Deutschland der NS-Zeit die Ausrottung "lebensunwerter" Behinderter vorbereitet und durchgezogen wurde, widerlegte die Blindenmission im fernen Persien eindrucksvoll das Vorurteil von der Bildungsunfähigkeit von Behinderten.

Doch auch diese Aufbauarbeit drohte aus Kriegsgründen, zerstört zu werden. 1943 wurde Christoffel verhaftet, und er geriet in englische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1946 nach Deutschland entlassen wurde. Hier gründete er 1949 in Nümbrecht ein Blindenheim für mehrfachversehrte Kriegsblinde, das heutige "Ernst-Christoffel-Haus."

Erst 1951 konnte der mittlerweile 75jährige in den Iran zurückkehren und sich dort erneut der Blinden- und Behindertenarbeit zuwenden, ehe er 1955 in Isfahan starb.

Auf seinem dortigen Grabstein wird der charismatische Namensgeber der Christoffel-Blindenmission, mit deren Hilfe gegenwärtig jährlich etwa zehn Millionen Patienten untersucht und behandelt werden, als "Vater der Blinden, der Niemandskinder, der Krüppel und Taubstummen" gewürdigt.

Informationen über die weltweite Arbeit der Christoffel-Blindenmission im Internet unter der Adresse: www.christoffel-blindenmission.de

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Hörsaalgeflüster

Südkorea: Klinikalltag im Ausland

Gelistet als Best-Practice-Intervention

Psychische Gesundheit: OECD lobt deutsches Online-Programm iFightDepression

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Lungensurfactant

Warum Seufzen der Atmung gut tut

Lesetipps
Der Rücken eines Mannes mit Gürtelrose zeigt Vesikel.

© Chinamon / stock.adobe.com

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung