"Erst ungewohnt, dann sehr informativ"

Fortbildungsveranstaltungen mal anders: Mit einer ungewöhnlichen Kulisse lädt die "GastroVernissage" interessierte Ärzte zur Fortbildung. Übergroße Helicobacter pylori-Modelle und reale Beschwerden von Patienten sollen die Teilnehmer zur Diskussion über die richtige Therapie anregen.

Von Pete Smith Veröffentlicht:

Im Zentrum des Foyers thront ein mannshohes Darmmodell, daneben steht ein hölzerner Reiseabort, hinter einer Schauwand mit Fotos und Weltkarte verbirgt sich die Skulptur eines überdimensionierten Helicobacter pylori: Eine ungewöhnliche Kulisse für eine medizinische Fortbildungsveranstaltung, aber das soll die GastroVernissage auch sein, denn mit ihr will der Arzneimittel-Hersteller Eisai GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main neue Wege beschreiten.

Ein Modell-Patient stellt die Ausgangssituation dar

Erste Station der GastroVernissage ist das Darmstädter Wissenschafts- und Kongresszentrum Darmstadtium. Professor Manfred Gross, Chefarzt der Internistischen Klinik Dr. Müller in München, empfängt die Teilnehmer der Fortbildung vor einem großen Monitor. Eine Kasuistik bildet den Anfang. Ein Mann erzählt von seinen Beschwerden. Er ist Händler, muss viel und schwer tragen, daher leidet er unter Knieschmerzen.

"Offenbar ist eine NSAR-Therapie angezeigt", erklärt Gross und fragt seine Zuhörer, die meisten von ihnen Hausärzte, wie sie weiter vorgehen würden. Eine Ärztin würde Diclofenac verschreiben, eine andere Naproxen.

Gross führt die Teilnehmer zu einem Säulenmodell. Es zeigt die mittlere Tagesdosis verschiedener nichtselektiver NSAR. Diclofenac nimmt die Spitze ein. Auch der Modell-Patient erhält dieses Präparat. Daraufhin quälen ihn Magenschmerzen. "Ist nun eine Gastroskopie angezeigt?", wirft Gross in die Runde. Für und Wider werden gegeneinander abgewogen. Klar ist: "Nix machen wär falsch." Also erfolgt eine Magenspiegelung. Ergebnis: der Nachweis von Helicobacter pylori.

Eine Mitarbeiterin des Referenten kommt mit einer prall gefüllten Tasche hinzu und reicht jedem Seminarteilnehmer ein gelbes Hp-Plüschmodell mit Fädchen. Wer Kinder hat, darf noch einmal zugreifen. Inzwischen wartet Referent Gross vor einer zweiten Säule, die den Titel "Blut-Zoll-Spiegel" trägt und aufzeigt, bei welchen NSAR und Arznei-Kombinationen der "Blut-Zoll" am höchsten ist.

In einem Bereich der Säule können die Teilnehmer nachlesen, dass in Deutschland jährlich 2200 Menschen an den Folgen gastrointestinaler Nebenwirkungen durch NSAR sterben und dass die Behandlung bei NSAR-Nebenwirkungen die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherungen jährlich 125 Millionen Euro kosten. Im Hinblick auf den Modell-Patienten wird klar, dass eine frühe Behandlung den höchsten Nutzen gezeigt hätte.

Der nächste Patient, der via Monitor sein Leid klagt, ist offenbar ein Reflux-Patient. Mit Hilfe einer Endoskopie soll Klarheit geschaffen werden. Gross leitet seine Zuhörer zu einem starren Endoskop, bestehend aus Polaroid-Kamera und Metallrohr, mit dem Ärzte noch vor gut 50 Jahren ihre Untersuchungen vorgenommen haben. Eine Ärztin graust es bei dieser Vorstellung. Eine Schautafel in der Nähe dokumentiert, dass das Endoskop 1806 von dem Frankfurter Stadt- und Pestarzt Philipp Bozzini erfunden worden ist, der selbst 35-jährig an Typhus starb.

Weiter geht's zum Darmmodell, in dem Karzinome, Adenome und Polypen wuchern. Auch die Folgen von Morbus Crohn werden auf diese Weise veranschaulicht. Eine Möglichkeit der Darmreinigung demonstriert ein (nachgebauter) antiker Reiseabort. Unweit davon steht ein Schaukasten mit WC-Reinigern. Wozu das? Referent Gross erläutert die so genannte Hygiene-Theorie: "Das Immunsystem muss etwas zu tun haben, Parasiten oder Würmer bekämpfen, sonst kümmert es sich nur noch um sich selbst." Folgen sind allergische Reaktionen und Autoimmunerkrankungen. In den USA sowie in Deutschland, so Gross, schluckten Crohn-Patienten Peitschenwürmer, um ihre Beschwerden zu lindern.

Von irgendwoher erklingt Musik. Debussy. Da soll zum Thema Darmkrebs überleiten. Denn auch der französische Komponist starb an den Folgen eines Colonkarzinoms. Gross bemüht die Statistik: 70 000 Neuerkrankungen pro Jahr, 27 000 Todesfälle, Lebenszeitrisiko fünf bis sechs Prozent, Inzidenz steigend.

Eine Koloskopie, so der Internist, stelle entgegen weit verbreiteter Vorurteile ein überschaubares Risiko dar, auch 80-Jährige könnten davon profitieren.

Neues Konzept für Fortbildungen

Nach anderthalb Stunden ist die Fortbildung vorbei. Referent Gross fordert die Teilnehmer auf, ihr Wissen in der Ausstellung auf eigene Faust zu vertiefen. Denn dort gibt es noch viel zu entdecken. Den meisten Zuhörern hat die neue Art der Fortbildung gefallen. "Mir hat's richtig viel Spaß gemacht", sagt eine Ärztin und lobt die lockere Atmosphäre. "Erst mal ungewohnt, aber dann sehr informativ", meint eine andere. "Wenn es allein um Wissensvermittlung geht, ist der klassische Vortrag am informativsten", findet ein Kollege. Gross gibt ihm recht. Aber um Wissensvermittlung allein ging es ja auch nicht. Mit ihrem Konzept will die Eisai GmbH vor allem Ärzte locken, denen herkömmliche Fortbildungsveranstaltungen zu langweilig sind.

Die kommenden Fortbildungen in der Reihe GastroVernissage finden am 7. Oktober in Augsburg, am 21. Oktober in Wolfsburg, 4. November in Würzburg und am 25. November in Heilbronn. Infos und Künstlerwettbewerb auch unter www.gastrovernissage.de

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