Ärzte machen Front gegen Kraftwerk

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ENSDORF/SAAR (kin). Im Saarland machen fast 500 Ärzte gegen den Bau eines neuen Kohlekraftwerks mobil. Sie fürchten zusätzliche Erkrankungen, wenn der RWE-Konzern wie geplant eines der größten und modernsten Steinkohle-Kraftwerke in Ensdorf an der Saar errichtet.

Im Bergmannsheim in Ensdorf ist es am vergangenen Mittwochabend zum Schlagabtausch zwischen den Ärzten der Region und den Medizinern des RWE-Konzerns gekommen.

"Ich finde, dass in der saarländischen Ärzteschaft ein bisschen fahrlässig mit den Ängsten und Sorgen der Menschen umgegangen wird", sagte der leitende Werksarzt bei RWE Power, Dr. Christian Feldhaus. Die saarländischen Ärzte wiesen den Vorwurf prompt zurück. "Ich sehe das nicht als Angstmache, sondern als Aufklärung", erwiderte der Saarlouiser Kinder-Chirurg Dr. Uwe Specht.

"Umweltbelastung deutlich unter den Grenzwerten"

Specht hatte eine Ärzte-Initiative gegen das neue 1600-Megawatt-Kraftwerk ins Leben gerufen. Zusammen mit seinen Kollegen hat er inzwischen 15 000 Unterschriften gegen das Projekt gesammelt. "Ich befürchte, dass die Leute durch das neue Kraftwerk noch kranker werden", erklärte Specht. Daher müsse darauf verzichtet werden. RWE hatte die Antrags-Unterlagen für den Bau des Kraftwerks im vergangenen Monat bei den Behörden eingereicht. Nächstes Jahr soll mit dem Bau begonnen werden.

Der von RWE eingeladene Gießener Umweltmediziner Professor Thomas Eikmann legte den besorgten Ärzten eine Prognose über die voraussichtliche Schadstoff-Belastung vor. Ob bei Feinstaub, Schwefeldioxid oder Dioxinen - "die Belastung bleibt praktisch gleich", so sein Fazit. Die Anlage werde überall deutlich unter den zulässigen Grenzwerten bleiben. Auch für eine Zunahme von Erkrankungen durch ein neues Kraftwerk gebe es keine Hinweise.

Ärztesyndikat einstimmig gegen neues Kohlekraftwerk

"Ich finde die Zahlen unglaubwürdig", meinte Uwe Specht. Den Saarlouiser Kinderchirurg stört unter anderem, dass vor allem auf die Schadstoffe in der Umgebung der Anlage geachtet wurde, nicht aber darauf, was aus den Schornsteinen herauskommt. Unterstützt wird Specht dabei vom Saarländischen Ärzte-Syndikat.

Die Delegiertenversammlung des Zusammenschlusses von rund 1700 Saar-Medizinern hatte sich einstimmig gegen das neue Kraftwerk ausgesprochen. In einer Resolution wurde darauf verwiesen, dass die Anlage bei Vollbetrieb pro Jahr unter anderem 700 Tonnen Staub, 7000 Tonnen Schwefeldioxid und eine Tonne Quecksilber an die Umwelt abgebe.

"Die Schadstoffe kommen doch irgendwo runter", sagte die stellvertretende Vorsitzende des Ärzte-Syndikats, Dr. Sigrid Bitsch, auf der Veranstaltung in Ensdorf. "Das sind Gefahrstoffe. Da beißt die Maus keinen Faden ab." Die Merziger Kinderärztin berichtete von einer "gravierenden Zunahme" chronischer Erkrankungen bei Kindern in den letzten zehn Jahren. "Das ist dramatisch", sagte Bitsch.

Immer mehr Kinder müssten vor allem wegen Allergien und Asthma behandelt werden. Daher stelle sich die Frage, ob man sich eine zusätzliche Belastung durch das neue Kraftwerk überhaupt noch leisten könne. Die Antwort der Kinderärztin: "Wir müssen bestehende Gesundheits-Gefahren abbauen, statt neue Risiken zu schaffen."

1600 Megawatt ab 2012 in Betrieb

Fast 500 Mediziner haben sich im Saarland gegen den Bau eines neuen Steinkohle-Kraftwerks ausgesprochen. Sie befürchten bei ihren Patienten zusätzliche Erkrankungen.

Der RWE-Konzern will in Ensdorf an der Saar eines der größten und modernsten Steinkohle-Kraftwerke der Republik bauen. Der Antrag für die 1600 Megawatt-Anlage ist bei den Behörden schon eingereicht. Nächstes Jahr soll mit dem Bau begonnen werden, 2012 soll der Betrieb beginnen. RWE will für das neue Kraftwerk in Ensdorf mehr als zwei Milliarden Euro investieren und 350 Arbeitsplätze schaffen. (kin)

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