Eine Ärztin nimmt Anlauf für den Landtag

Endspurt im Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg: In der umkämpften Unistadt Tübingen tritt die vor Ort bekannte Notärztin Dr. Lisa Federle für die CDU an. Mit ihrer untypischen Politkarriere und ihrem Stil erregt sie viel Aufsehen - in der eigenen Partei und bei den Wählern.

Von Rebecca Beerheide Veröffentlicht:
Ärztinnen und CDU-Politikerinnen unter sich: Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (links) besucht Lisa Federle (rechts) im Wahlkampf in Tübingen. In der Unistadt ist der Wahlkampf auch von Politpromis geprägt.

Ärztinnen und CDU-Politikerinnen unter sich: Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (links) besucht Lisa Federle (rechts) im Wahlkampf in Tübingen. In der Unistadt ist der Wahlkampf auch von Politpromis geprägt.

© privat

TÜBINGEN. In Baden-Württemberg ist Landtagswahlkampf und eine Ärztin steht mittendrin: Lisa Federle ist 48, groß, Mutter von vier Kindern, oft farbenfroh gekleidet und in ihrem Wahlkreis Tübingen überall bekannt - und ein ungewöhnlicher Star innerhalb der örtlichen CDU.

Der steile politische Karriereweg ist bei Lisa Federle nicht ganz gradlinig verlaufen: Nach dem Austritt aus der SPD kandidierte sie noch ohne Parteibuch auf der Liste der CDU für den Tübinger Stadtrat. Als Stimmenkönigin der örtlichen CDU zog sie 2009 in den Stadtrat ein - und stimmt seither auch mal gegen die eigene Fraktion.

Im Sommer 2010 wurde sie trotzdem gefragt, ob sie sich eine Kandidatur für das Direktmandat bei den Landtagswahlen vorstellen könnte - und musste sich innerparteilichen Kämpfen zwischen dem ländlich geprägten Rottenburg und dem städtisch geprägten Tübingen aussetzen. Erst nach der zweiten Mitgliederbefragung ging sie als Siegerin aus dem Rennen um den Platz als Direktkandidatin hervor.

Doch diese Querelen sind nun vergessen, jetzt ist der Endspurt zum Wahlkampf in Baden-Württemberg. In ihrem Haus am Österberg - eine der besten Wohnlagen in Tübingen - laufen die Fäden ihres Wahlkampfes zusammen: Im Flur stehen kartonweise kleine blaue Plastik-Boxen mit Pflastern, die sie an ihren Wahlkampfständen verteilt. "Mitten im Leben" und "Immer im Einsatz" heißen ihre Wahlwerbesprüche, die Plakate kleben an der Wohnzimmerwand. Inzwischen ist damit auch halb Tübingen plakatiert.

Ihr Gesicht überall in Tübingen, das wäre eigentlich nicht nötig. Denn in der Universitätsstadt ist sie bekannt -  viele kennen sie als Notärztin, aus der Zeitung oder als Kneipenwirtin. Im bekannten Lokal "Boulanger" stand sie früher hinter der Theke, heute hat sie das Lokal gekauft und verpachtet.

Erfahrungen aus dem Notdienst prägen ihre Politik

Als Notärztin sieht sie die sozialen Probleme in vielen Familien täglich: "Wenn ich an einem Schultag morgens um 11 in ein Haus komme, die Mutter alkoholisiert ist und das Kind noch im Bett liegt, muss ich mich doch fragen, was falsch läuft", erzählt Federle.

 Diese langjährigen Erfahrungen prägen ihre politischen Ziele: Sie will sich künftig für soziale Projekte einsetzen, sich auch im Gesundheitssystem einmischen, mehr in der Bildungspolitik tun. Gerade an Schulen wären Sozialarbeiter aus ihrer Sicht dringend benötigt: "Oft werde ich zu Schulausflügen gerufen, wo sich 14-Jährige total betrunken haben. Da läuft doch was schief! Und das kann man nicht immer den Lehrern anlasten."

Unterschiede im Beruf als Politikerin und Notärztin sieht Federle kaum: "Meine beiden Berufe unterscheiden sich nicht so sehr. Als Notärztin aber auch als Politikerin habe ich viele überraschende Tage, weiß vorher nicht, was vor Ort passiert." Die Vielfalt gefällt ihr.

Daher wird sie ihren Job als Notärztin auch vermissen, falls sie in den Stuttgarter Landtag einzieht. Ob sie auch ihre weiteren Ämter im Stadtrat, im Kreistag, den Vorsitz des örtlichen Roten Kreuzes oder gar ihre Tätigkeit als Rennärztin bei Formel-1-Rennen am Hockenheim-Ring aufgibt, weiß sie noch nicht.

Doch soweit ist es auch noch gar nicht, der Weg in den Landtag ist auch in den letzten Wochen vor der Wahl steinig. Schließlich ist Tübingen mit dem Grünen Oberbürgermeister Boris Palmer eine grüne Hochburg.

Daher ist ihr Wahlkampf gespickt mit Auftritten von CDU-Größen: Erst war der EU-Kommissar Günther Oettinger da - wenn auch nicht offiziell auf Wahlkampfreise -, dann kam Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und schließlich sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel vor 2000 Zuhörern. Auftritte, die ihr vor der eigenen Anhängerschaft nützen und viel Presse bringen.

Natürlich war auch der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus vor Ort - wobei sich Lisa Federle an diesen Tag in ihrem Wahlkampf sicherlich nicht gern erinnern möchte: In ihrer Rede bezeichnete sie Tübingen als "grünes Nest", das man "verkleinern" möchte.

In den Tagen danach ging es in Tübingen und in der lokalen Presse hoch her. Ihre Äußerungen über das "grüne Nest" - die sie nach eigener Aussage eher liebevoll als angriffslustig meinte - verfolgen sie. Inzwischen ist "das grüne Nest" in Tübingen ein geflügeltes Wort geworden. "Stress ist für mich ja kein Problem, ich kenne die 24-Stunden-Not-Dienste", erzählt Federle. "Doch Polemik im Wahlkampf, das empfinde ich doch als belastend."

Wahl- und Lebensmotto: "Immer im Einsatz"

In den regionalen Wirtschaftsunternehmen dagegen kommt sie mit ihrer CDU-Delegation immer gut an. Die Geschäftsführer begleiten sie durch Fabrikhallen. Bei einem Unternehmen, das Daten für Kliniken und Rechtsanwälte digitalisiert, kann sie auch mit persönlichen Beispielen aus ihrem Arbeitsalltag punkten.

"Die Bürokratie, die ich als Notärztin habe, ist ein wahnsinniger Aufwand." Später, in den Produktionshallen eines Lichtschutzherstellers, stellt sie Fragen, begrüßt die Mitarbeiter, hört aufmerksam zu - wenn nicht wieder einmal ihr Handy klingelt. Mal ist es die Familie, mal das Wahlkampfteam, oder auch Patienten, die sie als Notärztin nach Hause rufen wollen.

 "Immer im Einsatz" - das ist nicht nur ihr Wahlkampfslogan, sondern scheint fast ihr Lebensmotto zu sein.

Lesen Sie dazu auch: Interaktiver "Gesundheits-Check" zu Landtagswahlen

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