Gesundheitskosten für Bürgergeldbezieher

Krankenkassen gehen gegen die chronische Zechprellerei des Bundes vor

Es ist ein Dauerärgernis: Der Staat schiebt die Finanzverantwortung für die Gesundheitsversorgung bedürftiger Bürger zum großen Teil auf die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung ab. Damit soll Schluss sein.

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Das Bundesverfassungsgericht ist das Ziel der Klage von Krankenkassen. Dort erhoffen sie sich Klärung im Streit um die Gesundheitskosten für Bürgergeldbezieher.

Das Bundesverfassungsgericht ist das Ziel der Klage von Krankenkassen. Dort erhoffen sie sich Klärung im Streit um die Gesundheitskosten für Bürgergeldbezieher.

© Uli Deck / dpa / picture alliance

Berlin. Kann eine Klage eine gute Nachricht sein? Ja, durchaus. Mit der von den Krankenkassen angekündigten Klagewelle wehren diese sich dagegen, dass sie die Sicherung der gesundheitlichen Versorgung von Bürgergeldbeziehern vom Bund nur zu einem Drittel bezahlt bekommen.

Dieser Missstand hält seit Jahren an. Seit den 1990er Jahren hat der Bund schrittweise die Bemessungsgrundlage der Beiträge für Bezieher von Bürgergeld reduziert. Aktuell zahlt der Bund pro Monat für die 5,4 bis 5,5 Millionen Personen (darunter etwa 3,9 Millionen erwerbsfähige Personen und 1,4 bis 1,5 Millionen Kinder) umfassende Gruppe pro Monat nur 133,17 Euro. Ausgabendeckend wäre im Jahr 2022 dagegen eine Pauschale von 311,45 Euro gewesen.

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Das IGES-Institut hat die Unterfinanzierung mehrfach über die vergangenen zehn Jahre errechnet – mal kam es auf eine Ausgabendeckungsquote von 38 Prozent, mal auf 39 Prozent. Die Kassen sehen in dem Gebaren des Bundes daher eine chronische Zechprellerei: Die Finanzverantwortung für die Gesundheitsversorgung bedürftiger Bürgerinnen und Bürger werde zu einem großen Teil auf die Solidargemeinschaft der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgeschoben.

Politische Versprechen blieben ohne Folgen

Im Ergebnis bedient sich der Staat Jahr für Jahr in einem Umfang von 9,5 bis 10 Milliarden Euro bei der GKV. Das Tauziehen über eine politische Lösung dieses Missstands dauert bereits Jahre.

Die große Koalition machte in ihrem Koalitionsvertrag 2018 wortreiche Ankündigungen, „schrittweise“ zu einer Steuerfinanzierung zu kommen, die Ampel-Koalition tat es ihr 2021 nachpassiert ist bisher nicht.

Dass die Krankenkassen jetzt endlich rechtliche und ordnungspolitische Klärung vor Gericht suchen, ist für die Stabilität der GKV und für die Solidargemeinschaft der rund 75 Millionen Versicherten eine gute Nachricht.

Übrigens: Für die wenigen PKV-versicherten Bürgergeldbezieher besteht ein Rechtsanspruch, dass die Krankenversicherungsprämien bis zur Hälfte des GKV-Höchstbeitrags übernommen werden – das sind aktuell 471,32 Euro im Monat.

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In ihren Klagen werten die Kassen das Handeln des Bundes als rechtswidrigen Eingriff in die finanzielle Selbstständigkeit der Sozialversicherungsträger und monieren einen Verstoß gegen die Zweckbindung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Ziel ist eine Richtervorlage für Karlsruhe

In erster Instanz wird das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zuständig sein. Denn die Kassen richten sich gegen die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds, die sie vom Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) in Bonn erhalten. Die Klagen reicht der GKV-Spitzenverband dann namens der einzelnen Kassen ein.

Der GKV-Spitzenverband wird dem LSG eine Richtervorlage vorschlagen – falls das Fachgericht die gesetzliche Regelung für verfassungswidrig hält, könnte es die Gültigkeit dieser Vorschrift vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen. Der Weg ist weit – aber der Anfang ist gemacht. (fst)

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