In Baden-Württemberg droht Kassen ein Millionenloch

In Baden-Württemberg könnten den Kassen bis zu 250 Millionen Euro fehlen, weil Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds geringer als erwartet ausfallen. Sozialministerin Dr. Monika Stolz drängt auf Aufklärung.

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STUTTGART (fst). In Baden-Württemberg tun sich bei den gesetzlichen Krankenkassen im laufenden Jahr neue Finanzlöcher auf. Nach neuen Berechnungen des Bundesversicherungsamtes (BVA) könnte der Südwesten mehr als 250 Millionen Euro weniger aus dem Gesundheitsfonds erhalten als eigentlich vorgesehen.

Grund dafür ist, dass die regionalen Verteilungswirkungen des Gesundheitsfonds deutlich geringer sind als angenommen (wir berichteten). Im Herbst 2008 war das BVA davon ausgegangen, dass wegen des Abflusses von Mitteln in andere Regionen für Baden-Württemberg im laufenden Jahr ein Ausgleichsbedarf von 378 Millionen Euro entsteht. Von dieser Summe müssen 100 Millionen Euro für die so genannte Konvergenzklausel abgezogen werden.

Stolz nennt die Situation "sehr unbefriedigend"

Jetzt ist nach neuen BVA-Berechnungen nur noch mit Ausgleichszahlungen für Baden-Württemberg "im einstelligen Millionen-Bereich" zu rechnen, sagte IKK-Sprecherin Bettina Carlucci der "Ärzte Zeitung". Somit könnten den Kassen über 250 Millionen Euro fehlen.

Die baden-württembergische Landessozialministerin Dr. Monika Stolz hat angesichts der neuen Zahlen "einen erhöhten Aufklärungsbedarf, den das BVA noch zu erfüllen hat", sagte sie der "Ärzte Zeitung". Die endgültigen Zahlen für die Konvergenzzahlungen für 2009 würden erst im November 2010 vorliegen. Angesichts der Differenz zwischen ursprünglicher Prognose des BVA und der neuen Berechnung könne sich "eine neue Verteilungssituation ergeben". Stolz bezeichnete die Situation als "sehr unbefriedigend".

Das Problem: Das Geld, das unterjährig über den Fonds an die Südwest-Kassen geflossen ist, ist bereits in Verträge eingeflossen. Stolz verteidigt dieses Vorgehen: "Die Kassen konnten nicht damit rechnen, dass die Vorausberechnungen des BVA so gravierend von den jetzigen Ergebnissen abweichen würden."

Hugo Schüle, IKK-Verbandsvorstand für Baden-Württemberg und Hessen, kritisiert die fehlende Planungssicherheit scharf. "So können wir keinen Haushalt planen", monierte Schüle bei einer gemeinsamen Veranstaltung von Ersatzkassen, IKK, BKK und Knappschaft in Stuttgart.

Von Schocktherapie in Form einer umfassenden Gesundheitsreform halten die gesetzlichen Krankenkassen in Baden-Württemberg nichts. Doch zu schrittweisen Veränderungen der GKV sagen sie Ja. Eine einkommensunabhängige Gesundheitsprämie lehnen alle vier Kassenverbände ab. Die GKV sei ein Stabilitätsanker in der Gesellschaft, der auch zum wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands beigetragen habe, sagte Walter Scheller, Leiter der Landesvertretung Baden-Württemberg beim Verband der Ersatzkassen (vdek). Scheller betonte, ein "Systemwechsel" in der GKV wäre daher "schädlich".

Planungssicherheit wollen die Kassen auch an anderer Stelle. So wird zwar der zusätzliche Zuschuss zur GKV in Höhe von 3,9 Milliarden Euro begrüßt, den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) für 2010 kürzlich verabredet haben. Allerdings beträgt das befürchtete Defizit der Kassen im kommenden Jahr etwa 7,4 Milliarden Euro. Für die Knappschaft sprach sich Anton Haupenthal, Leiter der Regionaldirektion München, dafür aus, die bisher als Darlehen gewährten Liquiditätshilfen in feste Zuschüsse umzuwandeln. Trotz des Fusionskarussells unter den noch 184 Krankenkassen sieht Konrad Ehing, Vorstandschef des BKK-Landesverbandes, eine Zukunftsperspektive für kleinere Betriebskassen. Diese hätten Erfahrung darin, vor Ort Versorgung für ihre Versicherten zu gestalten, so Ehing.

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