EHEC-Ausbruch sprengt die Grenzen des DRG-Systems

Auch EHEC soll noch ins Versorgungsstrukturgesetz, fordern Vertreter der Universitätskliniken. Grund: Die Zentren der Hochleistungsmedizin fürchten, sonst auf den Kosten der Epidemie sitzenzubleiben.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Viel Arbeit während der EHEC-Welle hatten die Mitarbeiter der Dialysestation der Uniklinik Schleswig-Holstein in Kiel

Viel Arbeit während der EHEC-Welle hatten die Mitarbeiter der Dialysestation der Uniklinik Schleswig-Holstein in Kiel

© dpa

BERLIN. Die Universitätskliniken wollen nicht auf Millionen Euro Kosten sitzen bleiben, die der Ausbruch von EHEC verursacht. Das ist die klare Botschaft, mit der die Vertreter der Verbände der Hochschulmedizin am Donnerstag an die Öffentlichkeit gegangen sind.

Zwischen Fallpauschalen und der Vergütung für den Einsatz bei einer Epidemie, bei Transplantationen, der Behandlung von Mehrfachverletzten und Frühgeborenen müsse der Gesetzgeber klar differenzieren. "Das Versorgungsstrukturgesetz kann dafür ohne Probleme genutzt werden", sagte Rüdiger Strehl, Generalsekretär des Verbands der Universitätsklinika.

An der Versorgung der EHEC-Infizierten waren überwiegend, aber nicht nur die Universitätskliniken in Kiel, Hamburg und Hannover beteiligt.

Nachverhandlungen über Kostenübernahme in Schleswig-Holstein und Niedersachsen

Während die Hamburger Krankenkassen bereits angekündigt hatten, alle EHEC-Kosten in voller Höhe zu übernehmen, scheinen die Verhandlungen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen nicht so einvernehmlich zu verlaufen. Die Kassen hätten angekündigt, die medizinischen Dienste (MDK) einzuschalten, sagte Strehl.

Die Kliniken gingen zudem davon aus, dass die Kassen bei den Nachverhandlungen über die durch EHEC überspannten Budgets "kleinkariert" vorgingen. Das bedeute, dass die betroffenen Zentren der Hochleistungsmedizin bei der Vergütung für ihre Mehrarbeit die gesetzlich vorgeschriebenen Abschläge hinnehmen müssten.

"Die Kassen haben für solche Situationen kein Verantwortungsbewusstsein", sagte Strehl. Die Politik sei gefragt. Gleichzeitig räumte er ein, dass die Unikliniken von der schwarz-gelben Koalition nicht allzuviel erwarteten. Die stände den niedergelassenen Ärzten näher als den Krankenhäusern.

GKV-Spitzenverband versichert: Lösungen werden gefunden

Der GKV-Spitzenverband versichert dagegen, dass für Kliniken, die besonders viele EHEC-Patienten versorgt haben und deshalb in eine finanzielle Schieflage geraten seien, vor Ort Lösungen gefunden würden oder bereits schon vereinbart worden seien.

Zudem gingen die Kassen davon aus, dass bei der Behandlung vieler EHEC-Patienten eine intensivmedizinische DRG greife und da sei eher der Zeitaufwand und nicht das Krankheitsbild entscheidend.

Wieviel die EHEC-Welle kosten wird, wollte Strehl nicht beziffern. Genaue Berechnungen stünden noch aus. Grund sei, dass neuartige Erkrankungen wie EHEC ins Fallpauschalensystem gepresst würden. Nachkalkulationen könnten Jahre dauern. Der Fehlbetrag für die Kliniken könne sich auf bis zu neun Millionen Euro belaufen.

Dass EHEC und das Hämolytisch urämische Syndrom (HUS) mit sehr unterschiedlichen Ansätzen für das DRG-System gängig gemacht werden, lässt sich an den Fallpreisen ablesen.

Die geben die Verbände der Hochschulmedizin mit zwischen 1.250 Euro und 54.000 Euro an. Der Durchschnitt liege bei 6.400 Euro. Dazu kämen Zusatzentgelte von zwischen 160 Euro und 47.700 Euro.

Es knirscht an der Grenze zwischen den Sektoren

Der EHEC-Ausbruch zeigt, dass es an der Grenze zwischen stationärem und ambulantem Sektor knirscht. So räumen die Vertreter der Universitätskliniken ein, dass sie die EHEC-Patienten ambulant nachbehandelten. Dies sei zwar vom Gesetz nicht so vorgesehen.

Den niedergelassenen Ärzten fehle aber das Knowhow dafür. Entgolten würden den Kliniken diese Einsätze mit weniger als 100 Euro je Fall. Kosten für Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren seien damit nicht gedeckt.

Der richtige Platz für die ambulante Nachbehandlung von Patienten mit seltenen Krankheiten sei die spezialärztliche ambulante Versorgung, wie sie der Entwurf des Versorgungsstrukturgesetz vorsehe.

Auch an die Verantwortung der Länder appellierten die Vertreter der Hochschulmedizin. Für die EHEC-Behandlungen hätten die Kliniken kurzfristig Dialyse- und Plasmapheresegeräte angeschafft, geleast oder gemietet. Die Länder hätten sich ihnen gegenüber noch nicht dazu geäußert, ob sie diese zusätzlichen Investitionen übernähmen.

Lesen Sie dazu auch: Unikliniken fordern: Alle Macht dem RKI!

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