Krankenkassen

„Spahn hat uns frech ins Gesicht gelogen!“

Die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen geht auf Gegenkurs zu Spahns Plänen einer Reform der Kassenlandschaft. Auch bei den Ärzten läuten die Alarmglocken.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Wie viel Eigenständigkeit bleibt der Selbstverwaltung? Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbands sind nicht nur sich selbst bedroht.

Wie viel Eigenständigkeit bleibt der Selbstverwaltung? Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbands sind nicht nur sich selbst bedroht.

© picture alliance / Michael Kappe

BERLIN. „Frech ins Gesicht gelogen!“ Mit harschen Worten haben Vertreter der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen Gesundheitsminister Spahns jüngsten Gesetzentwurf eines „Faire Kassenwahl-Gesetzes“ zurückgewiesen.

In einer bewusst auf Öffentlichkeit angelegten Sondersitzung hat der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbands am Mittwoch die Pläne aus dem Gesundheitsministerium abgelehnt, den ehrenamtlichen Verwaltungsrat zu professionalisieren. Im Gesetzentwurf heißt es, der Verwaltungsrat solle künftig nicht mehr aus ehrenamtlichen Mitgliedern, sondern aus den Vorständen der Mitgliedskassen gebildet werden.

"Einschneidende Eingriffe“ in Selbstverwaltung

Als „einschneidende Eingriffe“ in die Selbstverwaltung hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) die Pläne aus Berlin kritisiert. Je mehr der Handlungsrahmen der Selbstverwaltung eingeengt werde, so dass Selbstverwaltungsorgane nachgeordnete Einrichtungen des Ministeriums würden, desto mehr gehe die Funktionalität der auch in Krisenzeiten resilienten Selbstverwaltung verloren.

Dann sei den Mitgliedern, also auch der Ärzteschaft, nicht mehr zu vermitteln, dass in dieser Organisationsform die Belange der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung angemessen vertreten werden könnten.

Die Kassenverwalter sind tief getroffen: Wenige Tage vor Bekanntwerden des Gesetzentwurfs habe Spahn bei einem Besuch der AOK Bayern noch betont, die Selbstverwaltung arbeite zu 98 Prozent professionell, sagte der Vertreter der AOK Bayerns Frank Firsching am Mittwoch in Berlin. Das sei eine freche Lüge ins Gesicht“ gewesen. Warum solle man sich nun überhaupt noch mit dem Minister treffen, um über die Pläne zu sprechen?

Deutscher Gewerkschaftsbund: Spahn will eigenen Machtanspruch ausbauen

Annelie Buntenbach vom Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes sprach von einem Angriff auf das Fundament des Sozialstaatsprinzips. Es gehe dem Minister nicht um eine Professionalisierung eines Gremiums, sondern um das Wegräumen von Widerständen, um den eigenen Machtanspruch auszubauen. Verdi-Vorstandschef Frank Bsirske warnte vor einem Bruch der Traditionen der Selbstverwaltung.

Unterstützung erhielten die Gewerkschafter von der Arbeitgeberseite. Der Anspruch eines Ministers müsse sein, eine bessere Gesundheitspolitik zu machen, nicht das Entfernen von Kritikern, sagte Alexander Gunkel vom Arbeitgeberverband. Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks., wies auf einen Widerspruch zwischen Koalitionsvertrag und Regierungshandeln hin. Dort hätten Union und SPD eine Stärkung der Selbstverwaltung angekündigt.

In einer Resolution wies der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbands das „Faire-Kassenwahl-Gesetz“ als „Generalangriff auf Selbstverwaltung und Sozialpartnerschaft“ zurück. Es gehe nicht nur um den Erhalt der „lebensnahen und praxisorientierten Entscheidungen“ der ehrenamtlichen Selbstverwaltung.

Der Gesetzentwurf habe das Potenzial, weitere wichtige Beschlussgremien im Gesundheitswesen zu schwächen. Betroffen seien der Gemeinsame Bundesausschuss, der Medizinische Dienst des GKV-Spitzenverbands und die Institute für Qualität und Wirtschaftlichkeit sowie für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung warnt zudem vor dem mit dem Gesetzentwurf geplanten Streichen der Programmkostenpauschale für das Einschreiben gesetzlich Versicherter in Strukturierte Behandlungsprogramme. Eine Privilegierung der DMP gegenüber anderen Versorgungsformen sei unabdingbar, da damit eine leitliniengerechte Versorgung gewährleistet sei.

Die DMP seien auf nationaler Ebene konsentierte Standards der Versorgung der großen Volkskrankheiten. Eine finanzielle Förderung sei daher unverzichtbar, so die KBV in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf.

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