Zukunftsbranche Gesundheit

Finnland: Ein Vorbild für die deutsche Pflege?

Der Pflege in Deutschland mangelt es nach Einschätzung ihrer Beschäftigten an einer effektiven Interessenvertretung. Finnland zeigt, wie eine solche aussehen kann.

Von Uwe K. Preusker Veröffentlicht:

Unter den Pflegekräften an Krankenhäusern, in Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediensten in Deutschland ist gegenwärtig wachsende Unruhe zu spüren.

Viele Versprechungen der Politik wurden nicht oder nur halbherzig erfüllt, und die Aufwertung der Pflege als spezifische Berufsgruppe in der Versorgung stagniert weiterhin.

Was in anderen europäischen Ländern bei der Arbeitsteilung seit Jahrzehnten bewährter Alltag ist, muss in Deutschland erst noch über viele Jahre hinweg erprobt werden.

Gleichzeitig nimmt auch an der tarifpolitischen Front die latente Unzufriedenheit der Pflege zu. Da ist Finnland vielen Pflege-Vertretern ein Beispiel dafür, dass es auch anders geht!

Wo immer man sich derzeit mit Vertretern der pflegerischen Berufe unterhält, ist schnell klar: So wie bisher kann und darf es nicht weitergehen!

An der Pflege-Basis rumort es - doch das wachsende Unwohlsein hat sich noch nicht wirklich Bahn gebrochen. Immer mehr in der Pflege Tätigen wird aber klar, dass nur eigenes Engagement für die Interessen der Pflege am Ende zum Ziel führen wird.

Zwar gibt es mehr als zwei Dutzend größere Pflege-Organisationen und dazu noch den Deutschen Pflegerat als Spitzenorganisation, doch die Meinung der Pflegenden über diese Interessenvertretungen ist meist nicht besonders gut.

Hoffnung auf die Pflegekammer begraben

Von dort erfahre man eher Kakophonie als wirkungsvolle Interessenvertretung, und der Deutsche Pflegerat sei viel zu schwach und werde aus Sorge um die eigene Zukunft von den diversen Pflege-Organisationen schwach gehalten.

Das vom damaligen Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) verkündete "Jahr der Pflege" wurde von vielen professionell Pflegenden mit viel Vorschusslorbeeren versehen.

Die Ernüchterung darüber, dass die fundamentalen Interessen der Pflege dabei in kleine Stücke - genannt "Runde Tische" - zerhackt und dann still und leise begraben wurden, war entsprechend groß.

Auch die Hoffnung auf die Pflegekammer in Bayern ist mittlerweile still und heimlich begraben worden. Und das in Rheinland-Pfalz wiederbelebte Hoffnungs-Pflänzchen steht mit der nunmehr angekündigten Befragung aller Betroffenen, bevor weitere politische Schritte unternommen werden, wohl ebenfalls vor dem Scheitern.

Die Erkenntnis unter den professionell Pflegenden wächst: Von der Politik sind Geschenke überhaupt nicht zu erwarten - es sei denn, man erkämpft sie sich selbst!

Dazu aber müsste es einen mobilisierungsfähigen Berufsstand professionell Pflegender geben - und genau das war die Pflege in Deutschland bisher auf gar keinen Fall.

Unzufrieden mit den Gewerkschaften

Zusätzlich hört man immer wieder auch Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen tarifpolitischen Vertretung der Pflege: Innerhalb der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sei man nur fünftes, sechstes oder gar siebtes Rad am Wagen - gegenüber den übermächtigen Interessen organisatorisch viel stärkerer Berufsgruppen innerhalb des öffentlichen Dienstes habe man keine echte Chance.

Und: ver.di könne und wolle die Pflege gar nicht überall dort vertreten, wo dies bitter nötig wäre.

Da wundert es nicht, dass Pflege-Vertreter nach außen schauen in andere europäische Länder, in denen diese gut organisiert und deshalb auch einflussreicher ist.

Als Beispiel wird immer wieder Finnland zitiert: Dort haben die Pflege-Organisationen in einem harten Arbeitskampf im Herbst 2007 für die Berufsgruppe am Ende eine Lohnerhöhung um rund 30 Prozent über drei Jahre erkämpft.

Und als die Regierung den drohenden Streik der Pflegekräfte durch ein - in Finnland im Gegensatz zu Deutschland rechtlich mögliches - Aufschieben des Streiks um drei Monate, wegen Bedrohung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens verfügte, kündigten zehntausend Pflegekräfte ihren Job zum geplanten Streikbeginn - drei Tage vor diesem Termin gab es eine Einigung der Tarifparteien.

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