Altenpflege

Kommunen stehen vor Kostenlawine

Studie beziffert wirtschaftliche Folgen und den Investitionsbedarf - und wer dies zahlen muss.

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BERLIN. Mehr Pflegebedürftige bei gleichzeitig sinkendem Potenzial an Erwerbskräften und Pflege durch die Familie: Dies insbesondere sind die "Ökonomischen Herausforderungen der Altenpflegewirtschaft".

Das Institut für europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft und das Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung haben diese Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erarbeitet.

Bis zum Jahr ist demnach mit zusätzlich 720.000 Pflegebedürftigen zu rechnen. Die dafür extra benötigten stationären Pflegeplätze variieren je nach Szenario zwischen 145.000 und 320.000. Die Investitionen dafür belaufen sich auf 43 bis 62 Milliarden Euro.

Der Bedarf an zusätzlichem Personal wird in der stationären Pflege auf bis zu 72.000 Vollzeitäquivalente geschätzt, in der ambulanten Pflege sind es bis zu 64.000.

Die Studienautoren schlagen vor, die Leistung der Pflegeversicherung künftig unabhängig vom Versorgungssetting und -ort nur in Abhängigkeit vom Versorgungsbedarf (Pflegestufe, künftig Pflegegrad) zu finanzieren.

440.000 Empfänger von "Hilfe zur Pflege"

Öffentliches und freigemeinnütziges Kapital werde voraussichtlich nicht reichen, um die hohen Investitionen zu stemmen. Der Gesetzgeber sollte daher "private Investoren nicht durch zu starke Regulierungen abschrecken", heißt es im Gutachten.

Dabei denken die Autoren an die neuen Heimgesetze der Länder und mahnen, "keine weiteren konkreten Vorschriften zu Einrichtungsgrößen oder der Zimmerausstattung zu erlassen".

Auf Kommunen werden in diesem Prozess hohe Kosten zukommen: Die Teilfinanzierung der Pflegeversicherung werde sich zu Lasten privater Haushalte und der Kommunen verschieben.

Bereits in den vergangenen Jahren ist die Zahl der Empfänger von "Hilfe zur Pflege" - einer steuerfinanzierten Sozialeistung - von 289.000 (1998) auf 440.000 Empfänger (2013) gestiegen.

Der Anteil der Sozialleistungen an den kommunalen Ausgaben wird von 23,7 (2012) auf 25,2 (2017) Prozent wachsen, warnen die Gutachter.

Dazu werde auch die Ausgabendynamik bei der "Hilfe zur Pflege" beitragen. Das Pflegestärkungsgesetz II werde hier "nur eine vorübergehende Entlastung bringen", heißt es.

Erhöhung der Erwerbsquote älterer Menschen gefordert

Die Gutachter folgern daraus, dass der steigende Finanzbedarf in der Pflege nicht allein durch private Haushalte und Kommunen aufgefangen werden könne.

Vielmehr sei es nötig, die Einnahmebasis der Pflegeversicherung zu stärken, etwa durch eine Erhöhung der Erwerbsquote älterer Menschen.

Unter Rückgriff auf Simulationen des Instituts der deutschen Wirtschaft warnen die Gutachter, selbst unter optimistischen Annahmen würden im Jahr 2030 die Ausgaben die Einnahmen der Pflegeversicherung um 1,7 Milliarden Euro übersteigen.

Daran werde auch der Pflegevorsorgefonds nicht viel ändern, da er zu klein dimensioniert sei und nur einen geringen Teil der Finanzierungslücke schließen kann. (fst)

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