Arztgespräch

Evidenz stärkt Patienten

Bekommen Patienten evidenzbasierte Fakten, widersprechen sie häufiger gegenteiligen Ratschlägen von Ärzten.

Von Marco Hübner Veröffentlicht:

BERLIN. Haben evidenzbasierte Informationen einen nachweisbaren Einfluss auf Entscheidungen von Patienten? Ja. So lautet zumindest das Fazit einer aktuellen Studie des Harding-Zentrums für Risikokompetenz am Max-Planck-Institut (MPI) für Bildungsforschung.

Demnach können evidenzbasierte Patienteninformationen zur Krebsfrüherkennung vor unzureichender ärztlicher Beratung schützen. Um das herauszufinden, haben die Wissenschaftler ein komplexes Experiment durchgeführt.

Symptomfreie Patienten sollten sich in der Studie für oder gegen eine Krebsfrüherkennung entscheiden. Beeinflusst wurde ihr Votum im Versuch von zwei Faktoren: Im persönlichen Interview erhielten Befragte zuerst entweder evidenzbasierte oder nicht evidenzbasierte Informationen über Nutzen und Schaden der Früherkennung, heißt es.

Über die Qualität der Informationen wurden Teilnehmer nicht aufgeklärt. Zusätzlich wurde die Kostenträgerschaft der Untersuchung mitgeteilt – also, ob die Krankenkasse die Leistung bezahlt oder, ob es sich um eine individuelle Gesundheitsleistung handelt.

Ein fiktiver Arzt

Die Versuchsteilnehmer sollten auf Basis dieser Informationen eine Entscheidung treffen. Dann kam der zweite entscheidende Faktor ins Spiel: Ein fiktiver Arzt. Er habe den Teilnehmern eine nicht evidenzbasierte Empfehlung erteilt.

Damit wollte man ergründen, wer von seiner Entscheidung wieder abrückt. Die Empfehlung sei eindeutig und der medizinischen Praxis nachempfunden gewesen. Es sei nur Nutzen oder Schaden der Früherkennung angesprochen worden mit der Bitte, die Entscheidung zu überdenken.

Etwa ein Drittel der Befragten, die vorab nicht evidenzbasierte Patienteninformationen erhalten hatten, knickten ein, so die Forscher. Sie änderten ihr ursprüngliches Votum zugunsten der nicht evidenzbasierten Empfehlung des angeblichen Arztes.

Jene, die im Vorfeld evidenzbasierte Patienteninfos erhielten, ließen sich hingegen weitaus weniger umstimmen: In dieser Gruppe revidierten nur 16 Prozent ihre Entscheidung. Dagegen hatte die Information über die Kostenträgerschaft laut Studie keinen Einfluss darauf, wie die Teilnehmer den ärztlichen Rat bewerteten.

Kein Aufruf zum Misstrauen

Die Studie soll nicht als Aufruf zum Misstrauen gegenüber Medizinern und ihren Empfehlungen verstanden werden. "Die Ärzte leisten in der Regel hervorragende Arbeit", betont Studienautorin Odette Wegwarth im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Die Leitende Wissenschaftlerin am MPI für Bildungsforschung verortet das Problem im System: "In der Aus- und Weiterbildung von Medizinern muss die statistische Risikokompetenz und -kommunikation mehr Gewicht bekommen – also die Fähigkeit, Statistiken kritisch zu hinterfragen, zu verstehen und letztlich transparent zu kommunizieren."

Sonst sei es leicht, unsauberen Informationen zum Opfer zu fallen. Für die repräsentative Studie worden nach Institutsangaben 897 Personen im Rahmen des Soziooekonomischen Panels des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung befragt.

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