Ungewollte Schwangerschaft

25 Millionen Abtreibungen mit fragwürdigen Praktiken

Keine Verhütungsmittel und ungewollt schwanger – das stürzt Frauen in armen Ländern oft in Verzweiflung. Millionen wissen sich dann nur durch Abtreibung zu helfen – das ist oft lebensgefährlich.

Veröffentlicht:
Millionen von Frauen weltweit greifen in ihrer Not auf zum Teil lebensbedrohliche Methoden zum Schwangerschaftsabbruch zurück, so eine WHO-Studie.

Millionen von Frauen weltweit greifen in ihrer Not auf zum Teil lebensbedrohliche Methoden zum Schwangerschaftsabbruch zurück, so eine WHO-Studie.

© blattwerkstatt /stock.adboe.com

GENF. Fast die Hälfte der jährlich knapp 56 Millionen Abtreibungen weltweit wird laut Weltgesundheitsorganisation WHO mit unsicheren Methoden durchgeführt. In 25,5 Millionen Fällen seien Frauen mit Praktiken konfrontiert, die als fragwürdig oder gefährlich erachtet werden, heißt es in einer Studie von WHO und dem amerikanischen Guttmacher-Institut im Fachmagazin "The Lancet" (DOI: 10.1016/S0140-6736(17)31794-4).

Fast jeder unsichere Schwangerschaftsabbruch wurde in Afrika, Asien und Lateinamerika durchgeführt, insgesamt 97 Prozent. Prekär sei die Lage vor allem in den 62 Ländern, die Abtreibungen verbieten oder nur zulassen, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Dort fänden drei Viertel der Eingriffe nicht mit sicheren Methoden statt. Wo die Gesetze liberaler sind, in 57 Ländern, würden hingegen neun von zehn Abtreibungen nach den WHO-Standards durchgeführt.

Hohes Risiko durch Ätzmittel

Die Studie unterscheidet zwischen problematischen ("less safe") und gefährlichen ("least safe") Abtreibungen. In die erste Kategorie fallen Eingriffe, die entweder von Laien oder aber von ausgebildetem Personal mit überholten Methoden wie Ausschabung der Gebärmutter vorgenommen werden. Gut 17 Millionen solcher Fälle gibt es laut der Studie weltweit. Sehr gefährlich seien von Laien durchgeführte Abtreibungen mit eingeführten Instrumenten, durch Einnahme von Ätzmitteln oder Kräutergebräu. In diese Kategorie fallen acht Millionen Abbrüche.

Das Risiko schwerer Komplikationen sei bei medizinisch korrekten Abtreibungen eigentlich sehr gering, so die Studie. Kaum Probleme gebe es in Industrieländern, wo der Eingriff weitgehend legal sei und es eine gute Gesundheitsversorgung gebe. In Westeuropa würden 6,5 Prozent der Abtreibungen nicht nach besten Standards durchgeführt, in Osteuropa 14,2 Prozent. Am schlimmsten sei die Lage in Afrika außerhalb von Südafrika. 75 Prozent der Abtreibungen seien dort problematisch oder gefährlich.

Hilfe durch Regierungen gefordert

Regierungen und Behörden müssten mehr tun, um ungewollte Schwangerschaften und gefährliche Abtreibungen zu vermeiden, heißt es in der Studie. Zum Beispiel, in dem sie junge Menschen sexuell aufklären, Familienplanung anbieten, Verhütungsmethoden bereitstellen und Abtreibungen erlauben, sodass diese von medizinischem Personal mit anerkannten Methoden durchgeführt werden können.

Die Studienautoren betonen, dass es gerade in Ländern, in denen Abtreibungen verboten sind, schwierig sei, zuverlässige Daten zu bekommen. Viele Frauen trauten sich nicht, über das Thema zu reden. Trendaussagen seien auch nicht möglich, weil die Unterscheidung in unsichere und gefährliche Abtreibungen neu sei. (dpa)

Jetzt abonnieren
Mehr zum Thema

Union, AfD, FDP und SPD streichen Gesetz von Tagesordnung

Neuregelung Schwangerschaftsabbruch: Grünen-Vorstoß wird abgeblockt

Kommentare
Dr. Klaus Günterberg 03.10.201718:30 Uhr

Da werden langfristig die Schwangerschaftsabbrüche wohl erfolgreicher mit Verhütung gesenkt - und die Errungenschaften unserer Gesellschaft besser mit unseren Verhütungsmitteln auf fremden Lagern als durch unsere Soldaten am Hindukusch vert

Diese WHO-Studie zeigt, was zu erwarten war: Je restriktiver die Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch, desto mehr Abtreibungen durch Laien und auch mit gefährlichen Mitteln. Abtreibungen in den Entwicklungsländern so liberal und risikoarm, wie in unserem Land? Dazu fehlen dort die Bildung, das medizinischen Personal und die erforderliche pharmakologische und medizintechnische Ausstattung, fehlen alle Voraussetzungen. Die Worte hör ich wohl, allein, mir fehlt der Glaube. Die Forderung der Autoren ist wohl lebensfremd, ein Traum, der sich absehbar wohl nicht erfüllen wird.

Wenn die Autoren schreiben, „Die Regierungen und Behörden müssten mehr tun, um ungewollte Schwangerschaften und gefährliche Abtreibungen zu vermeiden.“, dann ist dem nur zuzustimmen. Vor allem ungewollte Schwangerschaften müssen verhindert werden – die Mittel dazu können nur von den entwickelten Staaten kommen. Lesen Sie dazu: http://dr-guenterberg.de/content/publikationen/2015/Weltbevoelkerung-Der-Frauenarzt-1.pdf

Lassen Sie mich daraus wiederholen: Deutschland sollte besser Verhütungsmittel als Waffen exportieren. Da werden langfristig die Errungenschaften unserer Gesellschaft wohl erfolgreicher mit unseren Verhütungsmitteln auf fremden Lagern als durch unsere Soldaten am Hindukusch verteidigt.

Dr. Thomas Georg Schätzler 29.09.201712:14 Uhr

Dieses Stoppschild-Piktogramm ist m. E. skandalös!

1. erweckt es den Eindruck, die Kaiserschnitt-Rate zum Geburtstermin senken zu wollen,
2. stellt es symbolisch eine weit fortgeschrittene Schwangerschaft (um die 30. SSW) dar,
3. verunsichert es möglicherweise ungewollt Schwangere durch ein inadäquat bedrohliches Instrumentarium,
4. zeigt die Abbildung eine Original-Friseurschere: https://de.wikipedia.org/wiki/Friseurschere und inkriminiert damit einen weltweiten Berufsstand.

"Global, regional, and subregional classification of abortions by safety, 2010–14: estimates from a Bayesian hierarchical model" von Dr. Bela Ganatra MD et al.
http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(17)31794-4/fulltext
ist übrigens überwiegend von "PhD''s", englisch Doctor of Philosophy, neulateinisch philosophiae doctor, verfasst worden. Die abschließende Interpretation ["Interpretation - Increased efforts are needed, especially in developing countries, to ensure access to safe abortion. The paucity of empirical data is a limitation of these findings. Improved in-country data for health services and innovative research to address these gaps are needed to improve future estimates"] ist selbstlimitierend, unverbindlich, nichtssagend, perspektiv- und offensichtlich alternativlos.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund
10 Jahre ärztlicher Mitarbeiter im "Lore-Agne-Haus", Zentrum für Familienplanung, Schwangerschaftskonflikte und Fragen der Sexualität in Essen (Trägerschaft: AWO-Bez. Verband Niederrhein)

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Schmerz- und Palliativtage

Migräne bei Menschen mit Depressionen: Was kann verordnet werden?

Leitartikel zu „geringwertigen“ medizinischen Leistungen

Ärzte zwischen Überversorgung und Versorgungsdruck

Lesetipps
Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung