Arbeitsgerichtsurteil
Schwangerschaftsabbruch: Chefarzt unterliegt katholischer Klinikleitung
Direktionsrecht des Arbeitgebers contra ärztliche Unabhängigkeit: Eine katholisch geführte Klinik darf einem angestellten Gynäkologen auch vorschreiben, was ihm in privatmedizinischer Nebentätigkeit erlaubt ist.
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Gynäkologe Joachim Volz spricht nach der Urteilsverkündung zu den wartenden Journalisten.
© Bernd Thissen/dpa
Lippstadt/Hamm. Im Streit um Abtreibungen im christlichen Klinikum Lippstadt hat das Arbeitsgericht Hamm die Klage des Gynäkologie-Chefarztes Joachim Volz abgewiesen.
Die Anweisung, Schwangerschaftsabbrüche zu unterlassen, sei vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt, urteilte das Arbeitsgericht an diesem Freitag. Dies gelte auch für Nebentätigkeiten.
Das Klinikum war im März durch den Zusammenschluss einer evangelischen Klinik in Lippstadt und zwei katholischer Häuser im neun Kilometer südlich gelegenen Erwitte entstanden.
Im Evangelischen Krankenhaus Lippstadt hatte Volz früher auch „medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche“ vorgenommen, ebenso in einer Privatpraxis in Bielefeld; für die dortige Berufsausübung hat er seit 2012 eine Nebentätigkeitsgenehmigung.
Ausnahmen nur bei Lebensgefahr
Der Gesellschaftsvertrag der kirchlichen Klinikträger lässt Schwangerschaftsabbrüche nur in engen Ausnahmefällen zu. Nach eigener Darstellung hatte die evangelische Seite hier den katholischen Partnern nachgegeben, um den wirtschaftlich notwendigen Zusammenschluss nicht zu gefährden.
Auf diesen Gesellschaftsvertrag stützte sich die Leitung des Klinikums bei ihrer Dienstanweisung, künftig Schwangerschaftsabbrüche in der Klinik wie auch ambulant zu unterlassen. Ausnahmen seien nur zulässig, wenn das Leben von Mutter oder Kind „akut bedroht sind“. Auch die dem Chefarzt erteilte Nebentätigkeitsgenehmigung wurde dahingehend „konkretisiert“, keine Abbrüche mehr vornehmen zu dürfen.
Volz wollte dies nicht akzeptieren und klagte. Ohne Erfolg verwies er dabei auf die bisherige Praxis und die ärztliche Therapiefreiheit. Die neue Klinikleitung habe ihm selbst bei schwersten Schäden des Kindes, etwa einer fehlenden Schädeldecke, die Abtreibung untersagt. Aus Sicht der Klinikleitung sei er sonst ein „Mörder“.
Erstinstanzlich wies das Arbeitsgericht Hamm seine Klage nun jedoch ab. Das Klinikum sei berechtigt gewesen, „im Rahmen des zustehenden Direktionsrechts diese Vorgaben zu machen“. Dabei gelte das Direktionsrecht auch hinsichtlich des Umfangs der genehmigten Nebentätigkeit.
Höchstwahrscheinlich in Berufung
Für eine nähere Begründung verwies das Arbeitsgericht auf die noch abzusetzenden schriftlichen Urteilsgründe. Volz hatte bereits im Vorfeld angekündigt, dass er dann voraussichtlich in Berufung gehen werde.
Bei einer Demonstration vor der Verhandlung waren rund 2.000 Unterstützer des Arztes von der Klinik zum Amtsgericht Lippstadt gezogen, in dem die Verhandlung des Arbeitsgerichts Hamm stattfand. Eine Onlinepetition zur Unterstützung von Volz wurde inzwischen von über 230.000 Personen unterzeichnet.
In Berlin forderten die Grünen eine „Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs“. „Dass Ärztinnen und Ärzte in diese unmögliche Lage gebracht werden – ihrem medizinischen Eid verpflichtet und gleichzeitig vom Arbeitgeber angewiesen –, ist unhaltbar und muss dringend reformiert werden“, erklärte Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann. (mwo, mit Material von dpa)
Arbeitsgericht Hamm, Az.: 2 Ca 182/25