Gentherapie

Forscher ersetzen fast komplette Haut eines Kindes

Ein kleiner Junge mit Schmetterlingskrankheit wird mit einer Gentherapie von seiner schweren Hauterkrankung geheilt. Klinischer Alltag wird die Methode trotzdem wohl vorerst nicht.

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Betroffene mit Schmetterlingskrankheit haben sehr zarte Haut, eben wie die eines Schmetterlings.

Betroffene mit Schmetterlingskrankheit haben sehr zarte Haut, eben wie die eines Schmetterlings.

© Dennis Hinaris / Getty Images / iStock

BOCHUM. Mit einer Gentherapie haben Mediziner einen kleinen Jungen von einer lebensbedrohenden erblichen Hautkrankheit, der Epidermolysis bullosa, geheilt. Sie entnahmen dem Kind dazu einige Hautstammzellen, schleusten im Labor eine gesunde Variante des bei ihm fehlerhaften Gens hinein und vermehrten die Zellen dann.

Die nachgezüchtete gesunde Haut transplantierten sie auf fast die gesamte Körperfläche des Jungen. Er ist heute, knapp zwei Jahre nach dem Eingriff, weitgehend frei von Beschwerden. Die Forscher stellen ihre Therapie, die unter Leitung von Bochumer Wissenschaftlern erfolgte, im Fachblatt "Nature" (doi:10.1038/nature24487) vor.

Noch Zukunftsmusik

Die Freiburger Dermatologin Leena Bruckner-Tuderman, die nicht an der Studie beteiligt war, spricht von einer sehr guten Arbeit. Die Medizinerin erwartet durch Verbesserungen der Methodik Hilfe auch für weitere Betroffene mit anderen Varianten der Erkrankung. "Aber das ist Zukunftsmusik, so weit sind wir noch nicht", sagt die Ärztliche Direktorin der Hautklinik am Uniklinikum Freiburg.

Der behandelte Junge litt an der Erbkrankheit Epidermolysis bullosa, auch Schmetterlingskrankheit genannt. Dabei ist die obere Hautschicht nur unzureichend in der darunterliegenden Hautschicht verankert. Schon kleinste mechanische Belastungen führen zu Blasenbildung und zur Ablösung der Haut, massive chronische Wunden sind die Folge.

Das schränkt nicht nur die Lebensqualität enorm ein, es führt auch häufig zu Hautkrebs. Eine Heilung ist bisher nicht möglich.

Als der Junge 2015 mit sieben Jahren in die Bochumer Kinderklinik kam, waren bereits 60 Prozent seiner Hautoberfläche zerstört. Durch die schweren chronischen Wunden und Infektionen war er völlig ausgezehrt, wog nur noch 17 Kilogramm. "Ein lebensbedrohlicher Zustand", unterstreicht Dr. Tobias Rothoeft, Oberarzt der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Katholischen Klinikum Bochum. Die üblichen Behandlungen schlugen nicht an, so dass im Grunde nur noch eine palliativmedizinische Behandlung infrage kam.

Auf Wunsch der Eltern und aufgrund der schlechten Prognose suchten das Bochumer Team der Kinderärzte und der Plastischen Chirurgen in Kooperation mit Prof. Dr. Michele De Luca vom Center for Regenerative Medicine an der Universität von Modena nach experimentellen Therapiemöglichkeiten – und stießen auf die bisher kaum erprobte Gentherapie: die Transplantation genetisch modifizierter epidermaler Stammzellen.

80 Prozent der Haut ersetzt

Herangezüchtet wurde das um den Erbgutfehler bereinigte Hautgewebe in Italien, in Deutschland wurde es transplantiert. Insgesamt ersetzten die Mediziner 80 Prozent der Haut ihres kleinen Patienten.

"Zu Beginn der Behandlung lag der Junge wie eine Mumie in seinem Bett, er war von Kopf bis Fuß in Verbände gewickelt", erzählt Tobias Rothoeft von der Kinderklinik in Bochum, der den Jungen während seines etwa achtmonatigen Klinikaufenthaltes mitbetreut hat. "Heute ist seine Haut stabil, er geht zur Schule, spielt Fußball und kann ein weitgehend normales Leben führen." Verletzungen an der neuen Haut heilten bei ihm wie bei jedem anderen Kind.

"Es ist der erste Mensch, der so behandelt wurde. Wir müssen abwarten, ob auch weiterhin alles so gut verläuft. Das wird die Zeit zeigen", sagt Tobias Hirsch vom Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil, der den Jungen operiert hat. Für ihn als plastischen Chirurgen sei es "ein Wunder und ein Segen", dass es dem Jungen so gut geht. Nach Angaben von Hirsch sind in Europa etwa 35.000 Kinder von der Schmetterlingskrankheit betroffen.

Grundsätzlich besteht bei Gentherapien wie der vorgestellten das Risiko, dass sich das neue Gen an einer ungünstigen Stelle im Erbgut integriert. Dadurch können Regulationsprozesse in der Zelle gestört werden, Krebserkrankungen die Folge sein. Bisher fanden die Forscher bei ihm keinen Tumor oder andere schädliche Entwicklungen. (dpa)

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