Hepatitis B oder C bei HIV-Patienten: Wie wird behandelt?

Die Zahl der mit HIV infizierten Menschen hat in den vergangenen Jahren weltweit zugenommen - auch in Deutschland. Hier sind derzeit etwa 49 000 Menschen mit HIV infiziert. Und mehr als jeder fünfte von ihnen hat zudem eine Koinfektion mit Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Viren. HIV-Patienten mit diesen Koinfektionen haben eine schlechtere Prognose, da die Progression der Lebererkrankungen bei ihnen beschleunigt ist. Daher ist besonders bei diesen Patienten eine konsequente gegen HBV und HCV gerichtete Therapie erforderlich.

Veröffentlicht:

Jan-Christian Wasmuth und Jürgen Kurt Rockstroh

Seit Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) im Jahre 1996 ist es in allen Ländern, in denen eine entsprechende antiretrovirale Therapie verfügbar und finanzierbar ist, zu einem starken Rückgang HIV-assoziierter Morbidität und Mortalität gekommen.

Der Anteil an fortgeschrittenen Lebererkrankungen als Todesursache von HIV-Patienten hat im gleichen Zeitraum zugenommen. Berücksichtigt man die hohe Rate an Hepatitis-Koinfektionen bei HIV-Patienten, wird rasch die Bedeutung dieser Begleiterkrankung klar:

  • So haben 30 Prozent aller europäischen und amerikanischen HIV-Patienten eine Hepatitis-C-Koinfektion und 10 Prozent eine chronische Hepatitis-B-Koinfektion.
  • Etwa die Hälfte aller HIV-Patienten in Deutschland haben eine Hepatitis B durchgemacht, wobei die Prävalenz stark vom untersuchten Kollektiv abhängt.

Damit ist die Entwicklung von Therapiestrategien zur Behandlung von HIV-Patienten mit Hepatitis-Koinfektion zu einer der vordringlichsten klinischen Aufgaben geworden. In der nachfolgenden Übersicht werden die wichtigsten Aspekte zur Epidemiologie, Diagnostik und Therapie von entsprechenden Begleithepatitiden bei Patienten mit HIV zusammengefaßt.

Hepatitis B

Natürlicher Verlauf der Hepatitis B bei HIV-Koinfektion

Der Verlauf der Hepatitis B bei HIV-positiven Patienten ist dadurch gekennzeichnet, daß sich verstärkt Marker einer aktiven Virusreplikation (HBe-Ag, HBV-DNA) bilden. Und zwar um so mehr, je weiter die Immundefizienz fortschreitet. Das ist auf die reduzierte Immunantwort aufgrund der HIV-Infektion zurückzuführen. Aufgrund einer geringeren Entzündungsreaktion ist die Transaminasenerhöhung jedoch trotz der gesteigerten Replikation geringer ausgeprägt als bei HBV-monoinfizierten Patienten.

Parallel dazu kommt es zu einer vermehrten Progression der Fibrose, und es besteht ein erhöhtes Risiko für eine Zirrhose. Dies führt zu einer kürzeren Lebenserwartung bei HIV / HBV-koinfizierten im Vergleich zu HBV-monoinfizierten Patienten. Aufgrund des beschleunigten Verlaufs der chronischen Hepatitis B bei HIV-Koinfektion ist daher eine entsprechende Therapie der Hepatitis B bei HIV-Patienten von größter Wichtigkeit.

Therapie von Patienten mit Hepatitis B bei HIV-Koinfektion

Zur Therapie bei chronischer Hepatitis B stehen grundsätzlich Interferone und verschiedene Nukleosid- und Nukleotidanaloga zur Verfügung. Welche Therapie hierbei nun in Frage kommt, hängt zum einen von der Indikation für die Einleitung einer hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) ab.

Zum anderen ist entscheidend, ob ein HBV-Wildtyp oder eine HBe-Minusmutante vorliegt. Bei einer HBe-Minusmutante - bei der aufgrund einer Mutation kein HBeAg gebildet wird, obwohl eine aktive Replikation stattfindet - ist zum Beispiel der Therapieerfolg von Interferon schlechter als bei einer HBe positiven Hepatitis.

Für Patienten ohne HAART-Indikation kommt grundsätzlich eine Therapie mit Interferon-alfa (IntronA, Roferon®-A, 5 MU pro Tag oder 10 MU an drei Tagen pro Woche) in Frage. Eine weitere Möglichkeit ist die Applikation von pegyliertem Interferon - Peginterferon alfa-2a, (Pegasys®, 180 µg einmal pro Woche) oder Peginterferon alfa-2b (PegIntron, 1,5 µg / kg KG einmal pro Woche) subkutan. Da allerdings bisher hierfür bei koinfizierten Patienten noch keine Studienergebnisse vorliegen, wird eine entsprechende Interferonbehandlung nur in Studien empfohlen.

Alternativ können Patienten ohne HAART-Indikation mit täglich 10 mg Adefovir (Hepsera®) als Monotherapie behandelt werden.

Im Frühjahr dieses Jahres ist auch mit der Zulassung von Entecavir zu rechnen. Das Guanosin-Analogon hat den Vorteil, daß es keine anti-HIV-Wirkung hat, so daß hier kein Risiko für die Entstehung HIV-spezifischer Mutationen besteht. Bei Adefovir hingegen könnte sich zumindest theoretisch eine HIV-Resistenz entwickeln, da Adefovir auch eine anti-HIV-Wirkung besitzt.

Ob allerdings in der geringen Dosis von einmal täglich 10 mg hier ein Selektionsdruck entsteht, scheint fraglich. In bisherigen Untersuchungen wurden keine HIV-spezifischen Mutationen unter einer Adefovir-Monotherapie nachgewiesen.

Für Patienten mit HAART-Indikation kommen auch die für die Behandlung bei HIV-Infektion zugelassenen Nukleos(-t)idanaloga Lamivudin (Epivir®), Emtricitabin (Emtriva™) und Tenofovir (Viread®) in Frage. Alle drei weisen eine anti-HBV-Wirkung auf, wobei bisher nur Lamivudin bei Hepatitis-B-Infektion zugelassen ist.

Allerdings entwickelt sich nach vier Jahren Therapie bei koinfizierten Patienten unter Lamivudin bei über 90 Prozent durch HBV-spezifische Mutationen eine Resistenz. Daher empfiehlt sich derzeit keine alleinige Lamivudinbehandlung, sondern eher die Kombinationsbehandlung mit Tenofovir. Bei Patienten, die bereits eine Lamivudinresistenz gegen HBV haben, sollte ebenfalls bevorzugt mit Tenofovir therapiert werden.

Bislang sind unter Tenofovir noch keine HBV-spezifischen Mutationen nachgewiesen worden. Die Dauer der Therapie ist derzeit nicht eindeutig bestimmt. Bei Erreichen einer Serokonversion, die bei knapp 30 Prozent der behandelten Patienten eintritt, sollte die Behandlung mindestens sechs Monate fortgesetzt werden. Wegen der viralen Persistenz ist vermutlich eine längere, möglicherweise andauernde Therapie erforderlich.

Hepatitis-B-Impfung

Bei HIV-positiven Patienten ohne Hinweise für eine bereits durchgemachte oder chronische HBV-Infektion wird eine Hepatitis-B-Impfung empfohlen. Der Impferfolg hängt dabei von der Immunlage und der HI-Viruslast ab. So wurde in verschiedenen Untersuchungen eine höhere Ansprechrate bei einer T-Helferzell-Zahl unter 200 pro Mikroliter Blut sowie bei supprimierter Viruslast (< 50 Kopien / ml) nachgewiesen.

Die niedrigen Ansprechraten von etwa 70 Prozent (zum Vergleich: 97,5 Prozent bei Immunkompetenten) nach einer Hepatitis-B-Impfung bei HIV-Infizierten machen eine jährliche Kontrolle des anti-HBs-Titers und eventuelle Boosterimpfungen erforderlich.

Hepatitis C

Verlauf der chronischen Hepatitis C bei HIV-Koinfektion

Die Progression der Hepatitis-C-Erkrankung verläuft bei Patienten mit HIV-Infektion deutlich rascher, besonders dann, wenn es zu einer manifesten Immundefizienz kommt. Die Leberzirrhose-Rate bei HIV/HCV-koinfizierten Patienten ist mehr als fünfmal höher als bei HCV-monoinfizierten Patienten.

Bei den koinfizierten Patienten sollte die Indikation für eine Hepatitis-C-Therapie also zum einen aufgrund des beschleunigten Verlaufs und zum anderen aufgrund der vermehrten Hepatotoxizität der HAART geprüft werden.

Therapie bei Hepatitis C

Prinzipiell kommen alle HIV / HCV-koinfizierten Patienten für eine HCV-Therapie in Frage, die sowohl

  • eine meßbare HCV-Virämie als auch
  • erhöhte Transaminasen und
  • histologisch eine Leberfibrose (F2 und höher) haben. Eingestuft wird anhand des "Metavir-Scores" (0 = keine Fibrose, 1 = portale Fibrose ohne Septen, 2 = wenige Septen, 3 = zahlreiche Septen ohne Zirrhose, 4 = Zirrhose).

Goldstandard in der Therapie ist die Kombination aus pegyliertem Interferon einmal wöchentlich subkutan (Peginterferon alfa-2a, 180 µg oder Peginterferon alfa-2b 1,5 µg / kg KG) plus Ribavirin (Copegus®, Rebetol®). Dabei sollte Ribavirin bei HCVGenotyp 1 und 4 körpergewichtsadaptiert in einer Dosierung von 1000 - 1200 mg / Tag verabreicht werden, bei Genotyp 2 und 3 reichen 800 mg / Tag.

Unabhängig vom Genotyp bekommen alle HIV / HCV-koinfizierten Patienten über 48 Wochen diese Kombinationsbehandlung. Denn in entsprechenden Koinfektionsstudien bei Genotyp 2 / 3-Patienten, die nur über 24 Wochen behandelt wurden, kam es zu einer vermehrten Rate von Rückfällen (das heißt, der HCV-RNA-Nachweis war wieder positiv, nachdem er zuvor negativ geworden war). Bei 48 Wochen Behandlung hingegen kam es bei nur etwa zwei Prozent der Patienten zu einem Rückfall.

Prädiktiv für das Ansprechen ist der HCV-RNA-Abfall um 2 log-Stufen - das heißt z. B. von 105 auf 103 HCV-RNA-Moleküle pro ml Blut - innerhalb von zwölf Wochen nach Beginn einer Interferon / Ribavirin-Kombinationsbehandlung. Sollte die HCV-Viruslast nicht entsprechend abnehmen, kann die Therapie abgebrochen werden.

Ideale Kandidaten für eine HCV-Therapie sind Patienten mit HIV-Infektion, die aufgrund ihrer T-Helferzell-Zahl von über 350 pro µl Blut noch keine antiretrovirale Therapie erhalten. Bei diesen Patienten sind somit auch keine additiven Toxizitäten beider Therapien zu erwarten.

Bei Patienten, die bereits eine manifeste Immundefizienz haben und bei denen eine HAART notwendig ist oder bereits eingeleitet wurde, sollte die HAART gegebenenfalls vor Beginn einer Hepatitis-C-Therapie modifiziert werden. Die gleichzeitige Applikation des Reverse Transkriptase-Hemmers Didanosin (DDI) mit Ribavirin gilt als kontraindiziert, da es hierbei zu erhöhten DDI-Spiegeln kommen kann. Diese können zu hepatischer Dekompensation und Laktatazidose führen.

Auch Azidothymidin (AZT) sollte möglichst vermieden werden, da hier vermehrte Anämien und Leukopenien zu erwarten sind, wenn gleichzeitig Ribavirin angewandt wird. Bei mehr als 50 Prozent der mit AZT behandelten Patienten wird unter der Interferon / Ribavirin-Therapie eine Reduktion der Ribavirin-Dosis erforderlich, was sich ungünstig auf den Erfolg der Hepatitis-C-Therapie auswirkt.

Als ebenfalls ungünstig gilt die gleichzeitige Applikation von Stavudin (d4T) und Ribavirin, da auch hier mit einer vermehrten mitochondrialen Toxizität zu rechnen ist, bei der es zu einer Verminderung der DNA in den Mitochondrien und somit zu einer defekten Atmungskette kommt.

Auch der nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Hemmer Nevirapin sollte mit erhöhter Vorsicht eingesetzt werden, da bei koinfizierten Patienten auch mit einer vermehrten Hepatotoxizität zu rechnen ist. Proteasehemmer und die Nukleosid- oder Nukleotidanaloga Abacavir, Lamivudin, Emtricitabin und Tenofovir können jedoch ohne Bedenken eingesetzt werden.

Unerwünschte Wirkungen der Interferon-Therapie wie grippeartige Symptome, Müdigkeit, Schwäche, Durchfall und Übelkeit sind häufig. Hier ist jedoch eine symptomatische Therapie meist erfolgreich. Diese Symptome finden sich ähnlich häufig auch bei der Behandlung von HCV-monoinfizierten Patienten. Bei Depressionen sollte möglichst rasch behandelt werden. Die Patienten sollten über diese Nebenwirkung ausführlich aufgeklärt werden.

Dr. Jan-Christian Wasmuth, Prof. Dr. Jürgen Kurt Rockstroh, Medizinische Klinik und Poliklinik I, Universitätsklinikum Bonn, Sigmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn, Tel.: 0228 / 287-6558, Fax: 287-5034, E-Mail: juergen.rockstroh@ukb.uni-bonn.de

Hohe Zahl von Doppeltinfizierten

Die hohe Prävalenz kombinierter Infektionen durch hepatotrope Viren und HIV weltweit erklärt sich durch die gemeinsamen Übertragungswege von Hepatitis-B-, Hepatitis-C- und HI-Viren, nämlich parenteral, sexuell und vertikal (von der Mutter auf ihr Kind).

In Deutschland sind etwa 49 000 Menschen mit dem HI-Virus infiziert. Man geht zudem von etwa 3 000 HBV / HIV-doppeltinfizierten und von etwa 6 000 HCV / HIV-doppeltinfizierten Patienten aus. (Wasmuth, Rockstroh)

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