Vor der Ruptur

Migräne als Vorbote von Hirn-Aneurysmen

Machen sich intrakranielle Aneurysmen auch schon vor der Ruptur durch Kopfschmerzen bemerkbar? Eine Fall-Kontroll-Studie hat den Zusammenhang untersucht.

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Aneurysma im Anmarsch?

Aneurysma im Anmarsch?

© ARENA Creative / shutterstock

JEKATERINBURG. Zerebrale Aneurysmen machen sich möglicherweise auch im nicht rupturierten Zustand symptomatisch bemerkbar. Denn einer Fall-Kontroll-Studie zufolge leiden die Patienten deutlich häufiger an Migräne.

Das Einreißen eines sackförmigen intrakraniellen Aneurysmas (SIA) erzeugt einen explosionsartigen, extrem heftigen Kopfschmerz, den sogenannten Donnerschlagkopfschmerz.

Doch möglicherweise kann die Gefäßaussackung schon vor diesem gefürchteten Ereignis Kopfschmerzen auslösen. Neurologen der Universitätsklinik Jekaterinburg haben herausgefunden, dass Patienten mit nicht rupturierten SIA vermehrt an Migräne ohne Aura leiden.

In einer prospektiven Fall-Kontroll-Studie hatte einer der Ärzte 199 Personen, die wegen eines - in den meisten Fällen schon geplatzten - SIA stationär aufgenommen worden waren, mit einem standardisierten Interview nach Kopfschmerzen im vorausgegangenen Jahr befragt.

Dieselben Fragen waren 194 weitgehend vergleichbaren Blutspendern vorgelegt worden, die als Kontrollgruppe dienten (J Headache Pain 2013; online 20. Februar).

Von den SIA-Patienten hatten demnach 62,3 Prozent im Jahr vor der Ruptur an Kopfschmerzen gelitten. Die Prävalenz war damit fast doppelt so hoch wie in der Kontrollgruppe (32,5 Prozent).

Differenziert nach der Art der Kopfschmerzen trat aber nur Migräne ohne Aura mit 39,2 Prozent bei den SIA-Patienten signifikant häufiger auf als in der Kontrollgruppe mit 8,8 Prozent.

Die Ein-Jahres-Prävalenz bei SIA liegt den Studienautoren um Elena Lebedeva zufolge auch deutlich höher als in der russischen Allgemeinbevölkerung (20,8 Prozent).

Nur eine indirekter Trigger

Die meisten der betroffenen SIA-Patienten hatten im Monat ein bis zwei Migräneattacken, wobei die Kopfschmerzen meistens frontotemporal lokalisiert waren. Vier Patienten entwickelten wenige Tage vor der Ruptur während einer Episode starker Kopfschmerzen eine Parese des dritten Hirnnervs.

Übereinstimmungen zwischen der Lokalisation der Aneurysmen und der Migräneattacken gab es nur bei einem kleineren Teil der Studienteilnehmer: So war bei 14 von 16 SIA-Patienten, bei denen die Kopfschmerzen immer auf derselben Seite auftraten, die Seite mit dem Aneurysma betroffen.

Außerdem hatten Patienten mit einem Aneurysma der A. communis anterior in den meisten Fällen (72 Prozent) frontotemporale Migräneschmerzen, und Aneurysmen der vorderen Zirkulation waren generell häufiger mit Attacken in der vorderen Kopfhälfte assoziiert (67 Prozent).

Andererseits war die Migräne bei der Mehrheit der SIA-Patienten (75 Prozent), ebenso wie bei den Kontrollpersonen, nicht auf eine Seite beschränkt.

Für eine erhöhte Migräneprävalenz bei SIA gibt es mehrere Erklärungsmöglichkeiten: Die Studienpatienten litten etwa häufiger an Bluthochdruck, einem bekannten Risikofaktor für ein SIA - und einem möglichen Risikofaktor für Migräne.

Die Kompression von Hirnnerven oder anderen Strukturen kann natürlich auch zu Schmerzen führen, die allerdings üblicherweise nicht die Charakteristika eines Migräneanfalls aufweisen; außerdem war dies bei maximal 15 Studienpatienten der Fall.

Lebedeva et al. favorisieren daher die Vorstellung, dass die Aneurysmen die Migräne nur indirekt triggern. "Ein Signaleingang in den perivaskulären sensorischen Nervenenden um das Aneurysma könnte als Stimulus wirken, der eine zentrale Sensibilisierung bewirkt und die Schwelle herabsetzt, ab der ein Migräneanfall ausgelöst werden kann." (bs)

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