Plädoyer für mehr HIV-Tests in der Praxis

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Bei neuen Sexualkontakten wird das Kondom häufig vergessen. Besonders der Anteil von Frauen mit heterosexuell erworbenen HIV-Infekten steigt.

Bei neuen Sexualkontakten wird das Kondom häufig vergessen. Besonders der Anteil von Frauen mit heterosexuell erworbenen HIV-Infekten steigt.

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BERLIN (wst). Seit etwa sechs Jahren verzeichnet das Robert-Koch-Institut in Berlin wieder einen Anstieg der Zahl der HIV-Neuinfektionen. Für Dr. Franz Mosthaf aus Karlsruhe und andere Experten ist das die Quittung für eine Vernachlässigung des Themas HIV und Aids in der Bevölkerung, in den Medien, bei Ärzten und auch bei Gesundheitspolitikern.

Mosthaf betreibt in Karlsruhe mit zwei Kolleginnen eine Schwerpunktpraxis für Onkologie, Hämatologie und Infektiologie. Pro Quartal betreut er dort etwa 400 HIV-Patienten und stellt in seiner täglichen Arbeit eine zunehmende Verlagerung der Neuinfektionen weg von den klassischen Risikogruppen fest. Wie er aus Anlass der Münchner Aids-Tage in Berlin im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" sagte, liegt der Anteil der Frauen unter den HIV-Infizierten in seiner Praxis bereits bei etwa 40 Prozent.

Die meisten von ihnen sind weder Migrantinnen aus Hochrisikoländern noch Frauen, die Drogen intravenös gebrauchen. Vielmehr haben sie sich überwiegend beim Geschlechtsverkehr auf heterosexuellem Wege angesteckt. An die Pille werde gedacht, ans Kondom auch bei Neukontakten (wieder) immer weniger, ist eine auf viele Patientenanamnesen gestützte Erfahrung Mosthafs. Dies belegt, dass weiterhin eine effektive, alle Zielgruppen ansprechende und immer wieder neu zu gestaltende Aufklärungsarbeit erforderlich ist. An den dazu notwendigen Geldern werde leider ebenso an falscher Stelle gespart wie mit der zunehmenden Budgetierung einer kompetenten ärztlichen Versorgung von HIV-Patienten, kritisierte Mosthaf die Gesundheitspolitik von Bund und Ländern.

Auch für viele Ärzte sei das Thema HIV noch nicht oder nicht mehr so präsent wie es sein sollte, so Mosthaf. HIV-Infizierte würden immer häufiger erst im fortgeschrittenen Stadium einer HIV-Infektion oder gar erst dann erkannt, wenn sie bereits Aids haben. Ein Grund sei, dass bei vorher beklagten unspezifischen Beschwerden, Hauterscheinungen oder Blutbildauffälligkeiten wie Thrombopenien keiner an die Möglichkeit einer HIV-Infektion gedacht hat.

Mosthaf appellierte an seine niedergelassenen Kollegen, großzügig lieber einen HIV-Test zu viel als einen zu wenig anzubieten. Denn je früher eine HIV-Infektion diagnostiziert und die Patienten medizinisch betreut werden, um so besser sei ihre medizinische wie auch ihre berufliche und soziale Prognose und um so eher werde die unbewusste Weitergabe des Aids-Erregers verhindert.

Mehr Infos zu Aids: www.rki.de, unter "Infektionskrankheiten A-Z"

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